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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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so 'ne Bandenkriege einzumischen, Khumpl Sei froh, daß du noch so verflucht naiv bist, Rog, wart nur ab, bis du deine erste europäische Gangsterberührung hast, das geht in drei Runden hier: Kopf, Magen und Herz.
    Schmeckt dir das, Magen? Hier drüben ist der Magen kein zweitklassiges Organ, Sportsfreund, und das is 'n schöner herbstlicher Gedanke, den man sich immer vor Augen halten sollte."
    "Bodine, bist du nicht desertiert? Darauf steht die Todesstrafe, oder?" "Scheiße, damit werd ich fertig. Aber ich bin nur'n Rädchen im Getriebe. Glaub nicht, daß ich alles weiß. Nur in meim Job, da kenn ich mich aus. Ich kann dir sagen, wie man Koks wäscht und prüft, ich kann 'n Stein angreifen und dir nach der Temperatur sagen, ob er falsch is oder nich - die Falschen saugen einem nicht so viel Wärme aus der Haut, , heißt's unter Schiebern, u-und ich kann Falschgeld erkennen wie das große E beim Augenarzt, ich hab eins vonnen besten visuellen Gedächtnissen der Zone -" so schleift ihn Roger, monologisierend und im Zoot, an den Schauplatz der Kruppschen Orgie.
    Das erste, was Bodine, noch in der Tür, zu sehen bekommt, ist dieses Streichquartett, das heute abend spielt. Die zweite Violine ist kein andrer als Gustav Schlabone, Säure Bummers häufiger und selten gern gesehener Drogenpartner, "Captain Horror", wie sein liebevoller, aber nicht unzutreffender Kosename im "Platz" lautet - und die Viola geigt Gustavs Komplize bei zahllosen gemeinsamen Attacken auf die geistige Gesundheit aller im Umkreis von hundert Metern um die auserwählte Wohnung Hausenden (wer klopft und kichert eigentlich an eurer Tür, Fred und Phyllis?), Andre Omnopon mit dem fiederigen Rilke-Schnurrer und einer Porky-Pig-Tätowierung auf dem Magen (was in jüngster Zeit der "letzte Schrei" geworden ist: noch weit im Hinterland, in der Zone des Inneren, finden die amerikanischen Backfische das irre scharf). Gustav und Andre spielen heute abend die Mittelstimmen. Was deshalb besonders bemerkenswert ist, weil das unterdrückte Quartett aus Haydns Opus 76, das sogenannte "Kazoo"-Quartett in ges-moll, auf dem Programm steht, das seinen Namen von dem Largo cantabile e me-sto herleitet, in dem die Mittelstimmen plötzlich ihre Instrumente mit Kazoos vertauschen müssen, was Cello und erste Geige vor dynamische Probleme stellt, die in der Literatur wohl einzig dastehen. "Man muß tatsächlich an manchen Stellen von einem Spiccato in ein Detache überwechseln", quasselt Bodine eine Korporative Gattin quer durch den Raum zum kalten Büfett, wo sich Hummer-Horsd'oeuvres und KapaunenSandwiches türmen, "weniger am Frosch, sondern höher oben, bei der Spitze, verstehn Sie, weniger Druck - außerdem gibt's da noch an die tausend ppp-bis-fff-Ausbrüche, aber nur den einen, den berüchtigten einen in der umgekehrten Richtung ... " In der Tat, ein Grund für die Unterdrückung des Werkes ist dieser subversive Einsatz eines jähen Fortissimos, das zu einem dreifachen Pianis-simo abstirbt. Es ist die Berührung durch den wandernden Schallschatten, den Brennschlußpunkt der Sonne, sie wollen nicht, daß ihr zuviel von diesem Zeug zu hören kriegt - zumindest nicht so, wie Papa Haydn es serviert (eine seltsame Entgleisung im Benehmen des verehrten Meisters): Cello, Violine, Alt-und Soprankazoos tollen unbeschwert in einer Melodie herum, die sich anhört wie ein Song aus dem Film Dr. Jekyll und Mr. Hyde, "You Should See Me Dance the Polka", bis urplötzlich, mitten in einem ungeraden Takt, die Kazoos einfach verstummen und die Außenstimmen in eine gezupfte NichtMelodie verfallen, von der die Überlieferung behauptet, daß sie das Zupfen von Dorftrotteln des 18. Jahrhunderts an ihren Unterlippen vorstellen soll. Einander. Gegenseitig. Es dauert zwanzig, vierzig Takte, dieses Deppenpizzicato, während die mittlere Krupp-Führungsschicht auf ihren krummbeinigen Samtfauteuils knarzt, bibuhbuhbibuhbuh, das klingt gar nicht nach Haydn, Mutti! und Vertreter von GE und ICI die Köpfe verdrehen, um im Kerzenschein die kleinen Programmzettel zu entziffern, die mit liebevollen Kalligraphien von der Hand des Utgarthaloki-schen Lebenspartners, Frau Utgarthaloki, bedeckt sind, deren wirklichen Vornamen kein Mensch hier kennt (eine große Erleichterung für Stefan, da auf diese elegante Weise alle auf Distanz gezwungen sind). Sie ist das blonde Inbild deiner Mutter im Tod: wenn du sie jemals in Blattgold travestiert gesehen hast, die Wangen zu pausbäckig, unförmig, die

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