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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Tod, in seiner Findigkeit, beschlossen, Väter und Söhne einander schön erscheinen zu lassen, so wie das Leben es bei Mann und Frau getan hat ... o Gottfried, ja, du scheinst mir schön, aber ich sterbe... ich möchte es so ehrenhaft durchstehen, wie ich kann, und deine Unsterblichkeit zerreißt mir das Herz - kannst du verstehen, warum mich der Wunsch erfüllen könnte, sie zu zerstören, diese, oh, diese dumme Reinheit in deinen Augen ... wenn ich dich sehe, beim Morgen- und beim Abendappell, so offen, so bereit, meine Krankheit in dich aufzunehmen, sie zu beherbergen, zu beherbergen in deiner kleinen, unwissenden Liebe ... Deiner Liebe." Er nickt, mehrmals. Doch seine Augen sind zu heikel hinter Worte gebannt, sind abgewendet, unumkehrbar starr, vom echten Gottfried, von den schwachen, vergeblichen Gerüchen echten Atems hinter Barrieren, die so streng und klar wie Eis sind, hoffnungslos wie der Einbahnfluß der europäischen Zeit... "Ich möchte ausbrechen - diesen Kreislauf aus Ansteckung und Tod verlassen. Ich möchte in Liebe aufgenommen werden, so aufgenommen, daß du und ich und der Tod und das Leben untrennbar ins Leuchten dessen hineingerissen werden, was aus uns würde... "
    Gottfried kniet, stumm, wartend. Blicero sieht ihn an. Tief: sein Gesicht ist weißer, als der Knabe es jemals gesehen hat. Ein rauher Frühlingswind schlägt gegen die Leinwand des Zeltes. Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Einen Moment noch, und Blicero muß hinaus, um die Abendrapporte entgegenzunehmen. Seine Hände ruhen neben einem Wall von Zigarettenstummeln auf einem Servierbrett. Seine myopischen Hexenaugen hinter den dik-ken Gläsern mögen zum erstenmal wirklich in Gottfrieds blicken. Gottfried kann seine Augen nicht abwenden. Er weiß, auf eine unklare, unvollständige Weise, daß er eine Entscheidung treffen muß ... daß Blicero etwas von ihm erwartet... aber Blicero hat immer die Entscheidungen getroffen. Warum fragt er plötzlich...
    Es bleibt alles in Schwebe. Auswege in die Dienstpflicht, noch zwingend genug, noch treiben sie uns durch die Zeit... die eisernen Raketen warten draußen ... der Geburtsschrei des letzten Frühlings, getragen über regnerische Meilen Niedersachsens, über Rückzugsrouten, gesäumt von Fetzen letzter Briefumschläge, zerlegten Getrieben, festgefressenen Lagern, verrotteten Socken und alten Unterhosen, die jetzt nach Pilz und Moder riechen. Falls es für Gottfried hier noch Hoffnung gibt, in diesem windgepeitschten Augenblick, dann gibt es Hoffnung überall. Die Szene muß gelesen werden wie eine Karte im Tarot: was kommen wird. Was immer mit den abgebildeten Figuren (grob gestrichelt, schmutzig weiß und feldgrau, ein Bild auf einer Ruinenmauer) noch geschehen ist, liegt hier bewahrt - auch wenn sie keinen Namen hat und, wie der Narr, keine eindeutige Funktion im Spiel.

[4.10] "Who would fight for a desert?" Die Leeren; Ursula;

    Hier Enzian mit seiner brandneuen Rakete, wie er den Treck durch die Nacht kommandiert. Wenn es regnet, wenn der feuchte Nebel schneller umschlägt, als die Wache ihre Planen ausbreiten kann, sieht man die blanke Haut der Rakete in Schiefer verwandelt. Vielleicht wird sie kurz vor dem Abschuß doch noch schwarz angestrichen werden. Es ist die 00001, die zweite ihrer Serie.
    Russische Lautsprecher haben dich vom anderen Ufer der Elbe her gerufen. Amerikanische Gerüchte sind nachts bis an dein Lagerfeuer getanzt und haben, gegen die Basis deiner Hoffnung, die gelben Wüsten Amerikas, die Rothäute, den blauen Himmel und die grünen Kakteen lebendig werden lassen. Was für Gefühle waren das, die du für die alte Rakete hegtest? Nicht jetzt, da sie dir deine Arbeit sichert, sondern damals - erinnerst du dich noch, wie es war, sie von Hand aus der Montagehalle zu rollen, zwölf Mann von euch an jenem Morgen, eine Ehrengarde in der einfachen Begegnung eurer Leiber mit der Trägheit ihrer Masse ... eure Gesichter alle aufgelöst im gleichen, selbstlosen Blick -die Moires des Individuellen aufgeweicht, immer weicher mit jeder Brandungswelle, weiter aus der Ebene der Schärfe bis zu den zarten Schattierungen von Wolken -, aller Haß, alle Liebe ausgewischt für die kurze Distanz, die ihr sie über das winterliche Bankett schieben mußtet, alternde Männer in langen Mänteln, die über die Stiefelschäfte flatterten, weiße Atemwolken, vom Wind zerfasert wie die Wellen hinter euch... Wohin werdet ihr gehn, ihr alle? In welche Reiche, welche Wüsten? Ihr liebkostet ihren

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