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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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gekrümmten, sich rötenden Raum. Seine Augen wurden hineingesogen, immer tiefer und weiter ... Die Oberfläche des Kunststoffs flimmert in winzigen Strukturen: grauweiß, spöttisch, ein Feind von Farbe.
    Der Tag draußen ist rauh und das Opfer nur leicht bekleidet, doch es fühlt sich warm hier drinnen. Seine weißen Strümpfe werden von den Strapsen angenehm gestrafft. In einer Rohrleitung hat er eine schwache Krümmung entdeckt, in die er seine Wange schmiegen kann, während er in das Totenhemd hineinstarrt. Er fühlt, wie ihn sein Haar am Rücken, an den entblößten Schultern kitzelt. Es ist ein dämmriges, weißes Gemach hier, ein Brautgemach, um auf die bleichen Räume des Abends zu warten, auf was nun immer, das sich auf ihn stürzen wird.
    Telephonstimmen dröhnen in sein verdrahtetes Ohr, metallisch und drastisch gefiltert. Sie summen wie die Stimmen von Chirurgen, während man langsam im Ätherschlaf versinkt. Obgleich sie nur die rituellen Worte sprechen, vermag er sie noch immer zu unterscheiden.
    Der sanfte Geruch von Imipolex, der ihn vollkommen einhüllt, ist ein Geruch, den er kennt. Er ängstigt ihn nicht. Er hing über dem Zimmer, in dem er einschlief vor so langer Zeit, so tief versunken in süß paralysierter Kindheit... er hing in der Luft, als er zu träumen begann. Jetzt ist die Zeit des Erwachens gekommen, hinein in den Atem dessen, was schon immer wirklich war. Komm, wach auf! Es ist alles gut.

 Orpheus läßt Harfe fallen

    Los Angeles (PNS) - Richard M. Zhlubb, Night Manager des Orpheus-Filmtheaters in der Melrose Ave., hat einem Phänomen den Kampf angesagt, das er als "Mißbrauch der Mundharmonika" bezeichnet. Der "Harbodika", um genau zu sein, da Manager Zhlubb unter chronischen Rachenpolypen leidet, die unverkennbare Spuren in seiner Aussprache hinterlassen und ihm bei Freund und Feind den einträchtigen Spitznamen "der Polyp" eingetragen haben. Zhlubb berichtet, daß sich die Warteschlangen vor seinem Theater, insbesondere zu den Mitternachtsvorstellungen, von diesem Instrument in einen Zustand versetzen lassen, der ihm an offene Anarchie zu grenzen scheint.
    "So geht das jetzt schon seit unserem Bengt Ekerot/Maria Ca-sares-Film-Festival", beklagt sich Zhlubb, der in den Fünfzigern und hängebackig ist, behaftet mit einem permanenten Fünf-Uhr-Schatten (dem bei weitem schlimmsten aller Stundenschatten) und der Gewohnheit, seine Arme ständig zu einem umgekehrten "Friedenszeichen" hochzuwerfen, was zufällig gleichzeitig das Semaphor-Signal für den Buchstaben U darstellt und in Zhlubbs Fall ungezählte Meter weißer französischer Rüschenmanschetten entblößt.
    "Hier, Richard", höhnt ein Passant, "hier hab ich deine Rüschenmanschetten, schau her!", wobei er sich auf die denkbar unflätigste Weise zur Schau stellt und mit seiner Vorhaut in einer Art verfährt, die Ihr Berichterstatter hier kaum anzudeuten wagt. Manager Zhlubb zuckt leicht zusammen. "Das ist eindeutig einer der Rädelsführer", flüstert er gedämpft. "Ich hab schon eine Menge Ärger mit ihm gehabt, mit ihm und diesem Steve Edelman." In seiner Aussprache klingt es wie "Edelbid". "Ich scheue bich dichd, Daben zu dedden."
    Die Affäre, auf die er anspielt, ist immer noch in Schwebe. Steve Edelman, ein Geschäftsmann aus Hollywood, wurde im verflossenen Jahr eines 11569ers angeklagt (Versuchter Unernst mit Hilfe eines subversiven Instruments) und befindet sich zur Zeit in Atascadero zur unbefristeten Beobachtung. Man wirft ihm vor, daß er in einem unbefugten Geisteszustand versucht habe, eine Akkordfolge aus der schwarzen Liste des Justizministeriums zu spielen, und zwar in aller Öffentlichkeit, vor einer ganzen Kinokassenschlange von Zeugen.
    "U-und jetzt tun sie's alle. Nein, nicht , daß wir uns da nicht mißverstehen, natürlich sind die aktiven Gesetzesbrecher nur eine kleine, lautstarke Minderheit, was ich sagen wollte, war, alle vom Schlage Edelmans. Sicher nicht all diese guten Leute, die ins Kino wollen, ha-ha. Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen." Er drängt dich in seinen schwarzen Direktions-Volkswagen, und ehe du dich's recht versiehst, seid ihr schon auf den Free-ways draußen. Kurz vor der Kreuzung des San Diego mit dem Santa Monica deutet Zhlubb auf den Asphalt hinaus: "Hier hab ich zum erstenmal einen zu Gesicht bekommen. Er fuhr einen VW, genau den gleichen wie meiner. Stelln Sie sich das vor! Ich wollte meinen Augen nicht trauen." Aber es fällt schwer, seine Aufmerksamkeit auf Manager

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