Die Enden der Parabel
Augenblicken, wenn jemals, mochte er erkennen, daß die Waffe eine Achse, mächtig wie die der Erde selbst, zwischen ihm und diesem Opfer bildete, das im Inneren seines Eis noch eins war mit der Ahnenkette, von der es nur für die Dauer seines einzigen Blicks auf die Welt losgerissen werden würde. So saßen sie sich gegenüber, das stumme Ei und der verwirrte Niederländer, vom Lauf der Hakenbüchse für alle Ewigkeit verbunden, leuchtend erstarrt und eingerahmt wie nur je ein Vermeer. Allein die Sonne bewegte sich: zog vom Zenit nach Westen, bis sie endlich hinter dem krummen Zahnkamm der Berge im Indischen Ozean versank, teerige Nacht aufzog. Das Ei lag unverändert, ohne auch nur zu zittern. Er hätte es zerschmettern müssen, spätestens jetzt: er wußte, daß der Vogel vor der
Morgendämmerung schlüpfen würde. Aber ein Kreislauf hatte sich geschlossen. Er erhob sich mühsam, Knie und Hüftgelenke schmerzten, sein Kopf hallte von dröhnenden, drängenden, einander übertönenden Befehlen seiner nächtlichen Besucher wider, aber er humpelte nur müde davon, die Büchse rechts geschultert. Sobald die Einsamkeit begann, ihm derart mitzuspielen, kehrte er oft in eine Ansiedlung zurück und schloß sich einer Jagdgesellschaft an. Eine studentenhafte, alkoholisierte Hysterie beherrschte die gemeinsamen, nächtlichen Beutezüge, bis man auf alles feuerte, was sich bewegte oder nicht, Baumwipfel, Wolken oder lederhäutige Flugfüchse, deren Schreie in unhörbare Höhen stiegen. Im Nachtschweiß fröstelnd, wenn der Passat über die Berge blies, unter einem Himmel, dessen Hälfte scharlachrot glühte vom Widerschein eines Vulkans, in der Erde ein Grollen, das so tief war wie das Geschrei der Fledermäuse in der Nachtluft hoch, fanden sich diese Männer in einem Zwischenreich, waren Gefangene im Spektrum ihrer eigenen Worte und Stimmen.
Sie waren ein wütender Haufen von Verlierern, die eine göttlich auserwählte Rasse spielten. Ihre Spekulation, die Kolonie, lag schon im Sterben - genau wie die Ebenholzwälder, die sie von der Haut der Insel schälten, genau wie auch das arme Wesen, das sie so restlos von der Erde tilgten. Bis 1681 würde Didus ineptus ausgerottet sein, bis 1710 der letzte Siedler Mauritius verlassen haben. Das ganze Unternehmen sollte kaum länger als ein Menschenleben dauern. Manche erkannten selbst darin einen Sinn. Für sie war der ungeschlachte Vogel derart mißgestaltet erschaffen, daß sie das Wirken des Leibhaftigen an ihm zu erkennen glaubten, ein fleischgewordenes Widerwort zu Gottes Schöpfungsplan. War Mauritius das Gift, das die schützenden Dämme der Erde unterspülen würde? Dann mußte ihm die Christenheit entgegentreten, wollte sie nicht in einer zweiten Flut vergehen, die dieses Mal nicht Gott, sondern der Antichrist über sie kommen zu lassen drohte. Die Bleikugeln in die Musketen zu rammen wurde für diese Männer zu einem Akt der Frömmigkeit, dessen Symbolgehalt sie wohl verstanden. Wenn sie jedoch auserwählt waren, nach Mauritius zu kommen, warum war ihnen dann bestimmt, zu scheitern und die Insel wieder aufzugeben? War es eine Gnadenwahl, oder war es die Verdammung? Waren sie Erwählte oder Übergangene, verurteilt wie die Dronten?
Frans konnte nicht wissen, daß diese Dronten, mit Ausnahme einiger weniger auf der Nachbarinsel Reunion, die einzigen Dronten der Schöpfung waren - daß er mithalf, eine Gattung auszulöschen. Manchmal aber begannen das Ausmaß und die blinde Wut der Verfolgung, selbst in seinem Herzen Verwirrung zu stiften. "Wenn dieses Tier nicht solch eine Entartung wäre", schrieb er, "könnte man es vielleicht profitabel züchten, Nahrung für unsere Siedler zu gewinnen. Ich kann es nicht ganz so leidenschaftlich hassen, wie einige von den anderen es tun. Aber was könnte diesem Abschlachten jetzt noch Einhalt gebieten? Es ist zu spät... Vielleicht, daß ein eleganterer Schnabel, ein minder zerschlissenes Federkleid, die Fähigkeit, zu fliegen, und sei es nur ein wenig ... Kleinigkeiten der Vorsehung. Vielleicht auch wäre uns, hätten wir nur Eingeborene auf dieser Insel gefunden, das Aussehen des Vogels nicht seltsamer erschienen als das des wilden Truthahns in Nordamerika. Aber ach, ihre Tragödie ist es, die herrschende Form des Lebens auf Mauritius zu sein, aber mächtig nicht der Sprache ... "
Das war es, ganz genau sogar. Keine Sprache bedeutete keine Möglichkeit, sie in das aufzunehmen, was ihre rundlichen, flachshaarigen Eroberer Die Erlösung
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