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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Erinnerung an das Kind, beinahe zu zart, das du gesehen hast, liegt zuviel Scheiße auf den Straßen, drängen sich zu viele Kamele und andere Tiere, von denen jedes es mit jedem Huftritt auslöschen und zu einem Messias unter vielen machen könnte, und bestimmt ist auch schon jemand da, der Wetten auf den Neuen annimmt, während die jüdischen Kollaborateure dieser Stadt bereits belastendes Geschwätz an den Geheimdienst des Imperiums verschachern und die lokalen Nutten in die Waagerechte gehen, um die vorhautbewehrten Invasoren bei Laune zu halten und dafür zu kassieren, was der Markt nur eben hergibt, genau wie auch die Herbergswirte, die natürlich ganz entzückt sind von dem Schätzungszauber, und oben in der Hauptstadt wird schon diskutiert, ob man nicht besser jedem 'ne Nummer verpassen soll, yeah, damit SPOR die Daten leichter speichern kann ... und ob Herodes oder Hitler, Jungs (die Feldgeistlichen draußen in den Ardennen
    sind harte Burschen, hager und trinkfest), wie sieht die Welt denn aus ("Sie haben Roosevelt vergessen, Padre", tönen die Stimmen aus dem Hintergrund, der arme Pater kann sie nie erkennen, sie zermürben ihn, diese Versucher, bis in seine
    Träume hinein: "Wendell Willkie!" "Wie wär's mit Churchill?.....Arry Pollitt!") für so ein
    kleines Wurm, das gerade sieben Pfund auf die Toledos bringt und glaubt, es werde sie erlösen, is das denn nich 'n Fall für den Psychiater...
    Doch auf dem Heimweg heute nacht wünschst du, du hättest es zu dir gehoben und gehalten. Einfach nur festgehalten, dicht bei deinem Herzen, seine Wange in der Höhlung deiner Schulter, voller Schlaf. Als ob gerade du es wärst, der irgendwie vermöchte, es zu retten. Für einen Augenblick ist dir egal, als wer und was du registriert bist. Für einen Augenblick bist du nicht der, den die Cäsaren aus dir machen.
    O Jesu parvule, Nach dir ist mir so weh ...
    Beschenkt von diesem Zufallschor aus Exilierten, geilen Kindern, mürrischen Zivilisten, die noch in der Mitte ihrer Jahre einberufen wurden, geblähten Furzern, die trotz ihres Hungers immer dicker werden, tropfnäsigen, rotäugigen, halsschmerzgeplagten, pissegeschwollenen Männern mit akuten Nierenschmerzen, Magenkrämpfen, permanentem Katzenjammer, die aufrichtig gehaßten Vorgesetzten tausend Tode wünschen, zu Fuß und ohne Lächeln in den Städten dir begegnet sind, von dir vergessen wurden, wie sie dich vergessen haben und ganz genau wissen, daß sie lieber versuchen sollten, mal eine Mütze Schlaf zu kriegen, statt hier Wildfremden vorzusingen, hörst du dies Abendlied, das jetzt in irgendeiner alten Kirchentonart seinem Höhepunkt entgegensteigt, mit dem Nachhall drei- oder vierfach überlappter Stimmen die Höhle dieser Kirche füllt - kein falsches Kind, keine Verkündigung des Königreiches, auch kein Versuch, diese furchtbare Nacht zu erwärmen oder zu erhellen,
    nur dieser obligate, grindige kleine Schrei, der schon unsere maximale Reichweite darstellt - Ehre sei Gott! Nimm ihn zu deiner Kriegsadresse mit, zu deiner Kriegsidentität, über die Fuß- und Reifenspuren im Schnee zu jenem letzten Wegstück, das du dir selbst austreten mußt, allein im Dunkeln. Ob es dir paßt oder nicht, welche Meere du auch immer durchquert haben magst, auf deinem Weg nach Hause ...

[1.17] Stockholm (Die paradoxe Phase)

    Die paradoxe Phase, in der schwache Reize starke Reaktionen auslösen ... Wann hast du es erlebt? Ein frühes Stadium des Schlafs: seit einer Stunde hattest du die Mosquitoes und Lancasters auf ihrem Weg nach Deutschland nicht mehr gehört, ihre Triebwerke, die den Himmel aufrissen und zerfetzten, ein stahlgenietetes Dach dieser Nacht, unter dem verstreute Winterwolken trieben, vibrierend von der Stetigkeit, dem Terror einer solchen Zahl ausfliegender Bomber. Dein Körper lag bewegungslos, mundatmend, mit dem Gesicht nach oben, allein in dem schmalen Feldbett neben der Wand, die so bilder-, karten- und tabellenlos ist: so notorisch leer... Deine Füße wiesen auf ein schmales, hohes Fenster am entfernten Ende des Raumes. Das Licht der Sterne, das einförmige Dröhnen der Bomber, die eisige Luft strömten herein. Der Tisch war übersät mit zerfledderten Büchern, gekritzelten Kolonnen, überschrieben Zeit l Reiz l Sekretion (30 Sek.) l Bemerkungen, Teetassen, Tellern, Stiften, Federn. Du schliefst, du träumtest: Tausende von Metern über deinem Gesicht zogen die stählernen Bomber vorbei, Welle um Welle. Es war ein geschlossener Raum, ein großer

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