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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Spectro, wenn er mit einer Spritze zu seinem Fuchs raste, obwohl kein Mittel in der Lage ist, die Abreaktion des Herrn der Nacht zu stoppen, kein Mittel, außer das Raketenfeuer endet, die Geschosse werden demontiert, der ganze Film läuft rückwärts ab, geglättete Haut zu Stahlblech, rohen Barren, weißer Glut und Erz und Erde. Doch die Wirklichkeit ist nicht umkehrbar. Jede dieser Feuerblüten, denen die Explosion und das Geräusch des Sturzes folgen, ist blanker Hohn (wie kann er ohne Absicht sein?) auf die Vorstellung eines reversiblen Prozesses. Mit jeder dieser Blüten bestätigt der Herr der Nacht seine Herrschaft, und wir, die ihn nie zu Gesicht bekommen, denken auch jetzt nicht öfter an den Tod als vorher ... und leben, da es keine Warnung gibt und keinen Weg, sie abzuschießen, scheinbar so weiter wie zuvor. Wenn es passiert, begnügen wir uns damit, von "Zufall" zu sprechen. Vielleicht hat man es uns eingeredet. Denn es gibt Bereiche, in denen Zufälligkeit kaum kenntlich ist. Doch für Gehaltsempfänger vom Typ Roger Mexicos ist sie Musik, nicht ohne Majestät, < file:///C%7C/STEXT/HTML/pyv20001.jpg >
    deren Glieder der Zahl der Raketentreffer pro Quadrat entsprechen: nicht nur über diese Vernichtungsschläge, vor denen keiner fliehen kann, herrscht die Poisson-Verteilung, sondern genauso über Reitunfälle, Blutbilder, radioaktive Zerfallsprozesse, die Anzahl der Kriege pro Jahr...
    Pointsman starrt aus dem Fenster, in dem das abendliche Schneegestöber durch die vage Spiegelung seines Gesichts treibt. Weit hinter den Hügeln das Heulen einer Lokomotive, körnig wie später Nebel: ein Hahnenschrei -. -. , ein langer Pfiff, ein weiterer Schrei, ein Feuer neben den Gleisen, eine Rakete, eine weitere Rakete, in den Wäldern oder in der Senke ...
    Und warum nicht, Ned? Warum sich nicht lossagen von dem Buch? Gib's einfach auf, und es ist überstanden ... die veraltenden Daten, die gelegentlichen lyrischen Ausbrüche des Meisters,
    es ist Papier, nichts weiter, du brauchst es nicht, das Buch und diesen Fluch, der darauf lastet... bald könnte es zu spät sein... Ja, widerruf nur, kriech zu Kreuz, es ist fabelhaft - aber vor wem? Wer hört dir denn zu? Und schon ist er zurück am Schreibtisch, legt tatsächlich die Hände drauf...
    "Esel. Abergläubischer Esel." Mit leerem Kopf wandert er hin und her ... Episoden wie diese häufen sich in letzter Zeit. Sein Untergang beschleicht ihn wie die Kälte. Pumm, Easterling, Dromond, Lamplighter, Spectro ... was hätte er denn machen sollen? Runtergehen in die Psi-Sektion und Eventyr um eine Seance bitten? Versuchen, mit einem von ihnen Verbindung aufzunehmen? Vielleicht... ja ... Was hält ihn davon ab? "Bin ich", ein palatales Hauchen an die Scheibe, auf der sein Atem, warm und freudlos, zu Fächern kondensiert, "wirklich so stolz?" Man, nein, er kann diesen gewissen Korridor einfach nicht betreten, kann niemanden, auch Mexico nicht, ahnen lassen, wie sehr er sie vermißt... obwohl er Dromond oder Easterling kaum kannte ... aber Allen Lamplighter, der stets auf eine Wette aus war, egal, ob es um Hunde ging oder Gewitter, die Nummer der nächsten Tram, einen Windstoß mit fliegendem Rocksaum, die Reichweite der nächsten Flugbombe ... o Gott, vielleicht sogar derjenigen, die ihn getroffen hatte ... oder Pumms versoffener Bariton, seine satten Harmonien am Klavier, die Abenteuer mit den Krankenschwestern... und Spectro... Warum nur bringt er es nicht fertig, Eventyr zu bitten? Er könnte es mit hundert Gründen tun ...
    Ich sollte ... ich hätte sollen ... Seine Geschichte ist voll von unterlassenen Schritten, voll von diesem "hätte sollen" - er hätte heiraten sollen, hätte seinem Schwiegervater gehorchen sollen, hätte in Harley Street bleiben, freundlicher sein, Fremden häufiger zulächeln und auch Maudie Chilkes Lächeln heute nachmittag erwidern sollen ... warum konnte er es nicht? Ein albernsehnsuchtsvolles Lächeln, was wäre schon dabei, wo liegt die Hemmung, wo ist der Knoten auf seinem Mosaik? Die hübschen, bernsteingelben Augen hinter den Gläsern der Dienstbrille ... Frauen gehen ihm aus dem Weg. Er weiß auch ungefähr, woher das kommt: er wirkt unheimlich auf sie. Normalerweise spürt er es sogar selbst, wenn er beginnt, diese Unheimlichkeit auszustrahlen - seine Gesichtsmuskulatur verkrampft sich, Schweiß will ihm ausbrechen ... er ist machtlos dagegen, kann sich nicht lange genug konzentrieren, sie lenken ihn doch so ab - und schon ist die

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