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Die Enden der Welt

Die Enden der Welt

Titel: Die Enden der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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leichten Genuss, und ›Pabst Blue Ribbon’s Beer‹, das Echte, das Starke.«
    TV Pearl zeigte einen Film in Mandarin. Aber die Situationen waren so weit entfernt von der Wirklichkeit der Straße und so standardisiert wie im amerikanischen Fernsehfilm: Die Mütter weinen, wenn sie von der bevorstehenden Hochzeit der Tochter erfahren; nachdem die Frauen geohrfeigt wurden, telefonieren sie; legt der eine unvermittelt auf, wird der andere in den Hörer sehen und mehrmals auf die Gabel schlagen; Sterbende geben Geheimnisse preis und stellen den Tod dar, indem sie unbeweglich in die Ferne blicken; aus dem Zoom auf den Bösen ist all sein Bösesein ableitbar. So glitten ein paar Ursituationen vorüber, ein Vorwurf, eine Entschuldigung, eine Anklage. Die Musik exaltierte sich. Vor einem Prospekt vollkommener stimmungsmäßiger Übertreibung schaltete ich den Apparat ab und richtete meinen fühllosen Körper auf die durchhängende Matratze ein. Ricardas Schulter, schmal und knöchern, nach Leder ihr Geruch …
    Am folgenden Tag nahm ich bereits gegen Mittag die Fähre nach Victoria. Der Schalterbeamte im Postamt schüttelte den Kopf. Auf den Platz hinaustretend, wusste ich erst einmal nicht mehr, was tun. Ich lief zwischen den Häusern durch, stellte mich in den Eingang einer Bank, kontrollierte mit hochgekrempeltem Hosenbein mein Knie, das sich rund um die kleine Entzündung verfärbt hatte. Zwei Stationen fuhr ich mit der Straßenbahn hügelaufwärts, aber es half nichts. Deshalb stieg ich wieder aus, machte kehrt und blieb in einem Park hinter einer Hecke sitzen.
    Von einer kleinen Tribüne aus sah ich später den Jungen beim Fußballspielen zu. Die Partie war von stillschweigender Professionalität. Tore wurden auf beiden Seiten ohne Jubel quittiert. Ich saß zwei Stunden. Als ich ging, hatten die Mannschaften verschiedentlich die Besetzung gewechselt und es stand 8 : 7 . Am Sport ist alles unmodern. Seine Geschwindigkeit und seine Ziele kann man auf anderen Wegen ganz ohne Aufwand erreichen. Eine Latte überspringen, eine Strecke zurücklegen … trotzdem, wie befriedigend, dass überhaupt gespielt wurde.
    Ich nahm einen Bus zum Prince’s Building, fuhr zwanzig Minuten und musste im Restaurant feststellen, dass ich eigentlich nur um die Ecke gebogen war. Unter dem Fenster warteten die Taxis zweireihig auf die Hotelgäste. Dazwischen fegte ein Mann mit einem Strohhut. Mehrfach von den aufgestoßenen Wagentüren in den Rücken getroffen, fegte er doch unbeirrt weiter. An der Außenwand eines Kiosks telefonierte ein Uniformierter. Er sah hinauf zu mir.
    Weiter weg annoncierte eine unerleuchtete Neonreklame einen Lunapark. Kleine Lieferwagen parkten unter den Bäumen. Einmal wurde ein Korb mit Backwaren aus dem Laderaum gehievt, sofort regnete es hinein. Daneben arbeitete ein Mann barfuß an einem Motor, ein Geschäftsmann mit Koffer ging vor den Taxis auf und ab, konnte sich nicht entscheiden. Auf die Handzeichen der ersten Fahrer in der Schlange reagierte er nicht. Von weiter hinten hörte man jetzt eine Hupe, ein Abstand war entstanden, weil der Fahrer in die Hotelhalle unter mir gegangen war, um sich zu erholen. Erst als sein Wagen von den anderen in den Leerlauf geschaltet und bis an die Stoßstange des Vordermanns geschoben worden war, kam er o-beinig aus der Lounge, resigniert die Schultern hebend. Zwei der anderen Fahrer gingen sofort auf ihn zu. Der Uniformierte hatte den Hörer eingehängt, er bewegte sich jetzt auch auf die drei Fahrer zu, während ein vierter mit einem Kleenex die Regentropfen von der Windschutzscheibe rieb.
    Vier Frauen mit offenen Mündern promenierten an meinem Tisch vorbei. Die Verkündigungsengel. Jetzt brach die Ansage im Radio ab, und jemand blies auf der Trompete Variationen auf das Thema von »Mein Hut, der hat drei Ecken«. Ich stand auf und ging quer durch das Lokal zu den Toiletten. Zweimal passierte ich ein Schild mit der Aufschrift »Privat«.
    Ein Ensemble aus farbigen Kacheln und Marmor, bekleidete Wände, die in den Spiegel sehen. Fünfzig Waschbecken, fünfzig Spiegel, fünfzig Seifenschalen auf gleicher Höhe, zehn Papierspender, Föhns für die Hände, Oberlichter, kalt-zärtliche Atmosphäre. Einer hebt seine Gitarre vom Boden auf und geht durch die Tür hinaus. Ich drehe ein paar Hähne auf. Allmählich befreundet sich die Haut mit jeder Temperatur. Das erinnert an etwas Vergessenes, den Jahreszeitenfluss, wie er über eine Baumkrone hingeht, wie er sich den Stoffen

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