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Die Enden der Welt

Die Enden der Welt

Titel: Die Enden der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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über Joseph Conrads melancholischen Flüssen. Manchmal können die kleineren Verkehrsmaschinen wegen des Rauchs über mehrere Wochen nicht fliegen. Aber wer schon vier Tage lang mit dem Boot zum Flughafen unterwegs ist, kehrt nicht gleich um, sondern kampiert lieber an Ort und Stelle.
    Am Hafen riecht es nach Öl und Sägespänen. Vom Rand der Stadt Palangkaraya schwelt in die feuchte Hitze der Rauch der Brände ringsum. Auf der einzigen Straße heraus gibt es angeblich nur sechs Autos. Sie werden nie abgeschlossen. Wenn je eines fehlte – wo sollte es schon sein?
    Ich machte mich also zu Fuß auf, in der Hitze, mit nichts im Gepäck als dem Vertrauen, dass es am Rande der Straße Waren zu kaufen geben, jemand mir Wasser, eine Banane und am Ende vielleicht eine Autofahrt verkaufen könnte. Der Rauch zog in Schwaden über den geborstenen, manchmal von Blumen durchstoßenen Asphalt.
    Die Siedler brennen die Gebüsche gleich neben ihrer Hütte ebenso nieder wie hektargroße Parzellen zu Seiten ihrer Felder. Alles, was die Anwohner eigenhändig gerodet haben, gehört ihnen selbst, und wer beobachtet hat, wie viele Tage es braucht, mit einer Steinaxt einen hundertjährigen Urwaldriesen zu fällen, der versteht die Dankbarkeit, mit der die neuen, noch unerfahrenen Siedler in die Schneisen der Abholzungsfirmen eindringen, um dort durch Brandrodung Land zu gewinnen. Sie fühlen sich durch die hohe Luftfeuchtigkeit vor Funkenflug, durch den sumpfigen Boden vor einer Ausbreitung der Brände geschützt.
    Als im Jahr 1982 die Regenzeit jedoch ungewöhnlich lange ausblieb, dörrten die Sümpfe aus und das Feuer zerstörte ein Stück Regenwald von der Größe Taiwans. Dieser schlimmste Brand in der Geschichte aller verzeichneten Brände wurde erst 1983 durch die endlich einsetzenden Regenfälle gelöscht.
    Die indonesischen Zeitungen berichteten über die Katastrophe erst ein Jahr nach ihrem Beginn. Sie waren durch ausländische Nachrichtenagenturen auf das Feuer aufmerksam gemacht worden. Heute hat die Regierung die Piloten der kleinen Verkehrsmaschinen mit der Beobachtung der Brände beauftragt. Einige berichten, der Brand von 1982 / 83 sei nie wirklich gelöscht worden, und prompt ließ der nächste Großbrand, dieses Mal kurz vor der Jahrtausendwende, nicht auf sich warten.
    Dennoch ist die Vielfalt der Pflanzen berauschend, sind die Variationen, die Bizarrerien in Farb- und Formgebung auch am Straßenrand schier unermesslich und beweisen den Reichtum einer im Wesentlichen auf parasitären Verhältnissen wuchernden Natur.
    So ist der Orang-Utan als das einzige Tier zugleich gierig und stark genug, die schwere Durian-Frucht – Delikatesse für Einheimische und Menschenaffen – nicht nur zu ernten, sondern sie viele Meter weit in das heimische Nest zu schleppen, wo der Kern, in den Kot dieses Nests eingelassen oder aus den Wipfeln abgeworfen, noch die Chance des Überlebens und der Fortpflanzung erhält. Stirbt der Orang-Utan aus, so fallen auch die Kerne der Durian unter die immer selben Bäume, und so wäre der legendäre Baum Südostasiens ohne den Pongo pygmaeus in dieser Region vom Aussterben bedroht.
    Ein ähnlich symbiotisches Verhältnis hat sich zwischen den Umsiedlern und der Holzindustrie gebildet. Einmal in die entstandenen Schneisen eingefallen, sengen und sicheln die Ansiedler Gestrüpp, Kleinholz und Macchie herunter, den Kahlschlag vollendend, der mittelfristig auch ihren eigenen Lebensraum zerstören wird.
    Die Siedler in Zentralkalimantan wissen, dass unter ihren Augen eine Waldart zerstört wird, die sich nie wieder erholen kann und die durch die nachgepflanzten Monokulturen oder selbst durch die Einrichtung eines Nationalparks langfristig nicht wirklich bewahrt würde, aber sie können sich ökologische Skrupel am wenigsten leisten. Auf den mühsam gerodeten Feldern ziehen sie die anspruchslosesten aller Pflanzen: Ananas und Trockenreis. Die Ananas wird häufig direkt in die Asche gesetzt. Ihre Frucht bleibt faustgroß, sie überschwemmt die Märkte, entsprechend niedrig ist ihr Verkaufspreis. Mehr als eine Ernte im Jahr gibt der Boden nicht her.
    Das Saatgut für den Reis stellt die Regierung. Bleibt eine Regenzeit zu lange aus – und als Folge der Klimaveränderung sind auch hier die Jahreszeiten unzuverlässig geworden –, wird das Saatgut verzehrt und man hofft auf die nächste Zuteilung. Nach zwei Ernten ist der Boden ohnehin wieder erschöpft. Man lässt ihn brachliegen, denn nun wächst hier

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