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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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ich mich, Häschen«, sagte er,
»oder hast du dieses entzückende Nichts bereits vorWochen vorgestellt?«
    »Du irrst dich«, sagte Verna und
durchbrach mit zwei großen Schritten die Bannmeile. Eine Verneigung und
rechtslinksrechts ein paar Küßchen hinter Kavos Ohren. »Das von neulich hatte
nur eine ähnliche Farbe, rapsgelb. Dies hier ist mexikanische Limone!«
    »Das andere«, sagte Manasse, »ist vorne
dreieckig ausgeschnitten, im hinteren Saum gerafft und hat unten eine
dunkelgelbe Bordüre!«
    Kavo hörte gar nicht hin.
    »Ich meine«, sagte er strafend, »die
Frage ist doch, sind wir hier im Secondhandladen oder bei Tele-Fun?«
    Über ihren Köpfen rumpelte es, im
Studio hatten sie wieder Probleme mit den antiquierten Kameras.
    »Verna-Häschen! Im Ernst! Zieh den
Fummel einfach aus!«
    Das würde dir so passen.
    »Und dann laß dir von Manasse was
Anständiges besorgen!«
    Verna legte den Kopf schief,
Schweinepriester, dachte sie, Leuteschinder. Auch Faschist war gut, selbst wenn
es nur von Sylvia Plath stammte. Vogelhirn, kreischte Alice mit zerbrochener
Kinderstimme, ein Kreischen, so durchdringend, daß Vernas Oberarme sich unter
den dünnen, mexikanisch-limonenfarbenen Trägern des Kleides mit Gänsehaut
überzogen. Kavos Gesicht wurde schwarzweiß, ein sehr altes Foto, sepiastichig.
Der Schmerz in ihrem Oberkiefer. Ein Granulom, dachte Verna, Wurzelspitzenresektion,
entzündetes Kiefergewebe. Das kann unmöglich betäubt werden, es wird sehr weh
tun. Ferkelin, hatte Alice immer zu ihrer Mutter gesagt, obwohl sie noch jung
und sehr hübsch gewesen war, kastanienbraunes Haar aus der Stirn gebürstet, ein
Haarreifen, mit Gänseblümchen bestickt. Dann schrie Alice nichts mehr, die
Totenstille, als es passierte. Der Ort, sagte Izzy, an dem wir sind, was wir
sind. Nichts und niemand, das blanke verzweifelte Leben. Der blanke
verzweifelte Tod, hielt Verna ihm entgegen.
    »Ist was, Häschen?« sagte Kavo.
    »Zahnschmerzen«, sagte sie, aber es
waren die Nerven, eins der schlimmeren Worte auf Kavos Liste. Eine
Trigeminus-Neuralgie wie damals bei Denise, der Anfang vom Ende.
    »Oh je«, sagte Kavo, »Zahnschmerzen!
Aber wo du’s selbst ansprichst. Eventuell stehen deine Vorderzähne ein winziges
bißchen schief. Und dann der Gelbstich. Herzchen, Gilb gehört doch in die
Gardine.« Manasses Lachen raste von der falschen Seite heran. Verna dachte an
den Pilzsammler und sein dünnes, abgefahrenes Jungenbein.
    »Sie werden bald überkront, Kavo«,
sagte sie, »auf deine Kosten, selbstverständlich.« Manasse, der Feigling, wand
sich in seiner Ecke.
    »Guter Witz!« erwiderte Kavo. Seine
dünnen Finger falteten sich, entfalteten sich. Ferkelin, dachte sie, Blockflöte,
Alice und ich, unsere Wasserfallkleider, und wie wir alle Worte, die wir
kannten, ausprobiert haben, um herauszufinden, ob es sich um Schimpfworte
handelte. Rasierpinsel, Lineal.
    »Schopftintling!« sagte sie laut.
    »Hu, ha«, Manasses Lachen, »die Quote«,
sagte er, »war aber wirklich toll! Eben sage ich zu Kavo, Kavo, wir holen uns
den Pilz noch mal. Der Pilz ist die Wahrheit, oder?«
    Kavos Augen blinkten aluminiumfarben.
    »Die Wahrheit«, sagte er freundlich,
»soso!« Er erhob sich und legte Verna eine Hand auf die Schulter. Diese Hand,
die ein Todesurteil war. »Liebes, ihr beide seid Brainonia\ Ihr wißt,
was ihr tut. Ich bin dagegen... sagen wir einfach: nichts. Nur der arme Papa,
der das Geld ranschafft!«
    Ein hastiger Kaninchenblick traf Verna.
Komm schon, Manasse, dachte sie, wenn du mich so fragst, ja, damit will er
etwas sagen. Er will sagen, daß ihm dein Pilz am Arsch vorbeigeht. Er will
sagen, daß Pilze nicht besser als Dreck sind, solange sie uns Millionen kosten.
Dein Gewinnerpilz, mein Guter, ist ihm einfach zu teuer.
    »Heute abend«, erklärte sie Kavo, der
seine trockenen langen Hände aneinander rieb, »ist der Pilz gleich noch mal im
Programm. Wegen gesteigerter Nachfrage.«
    »Ach«, sagte Kavo, »wie nett.« Sie
konnte sein Gesicht nicht sehen, da er im Gegenlicht hoch über ihr aufragte.
    »Einfache Rechnung«, warf Manasse ein,
»Pilz bringt Quote, Quote bringt Werbung, Werbung bringt Geld. Was wir dagegen
reinbuttern...« Halt doch den Mund, dachte sie.
    »Wie nett«, wiederholte Kavo, rückte
näher, schob Verna gegen die Tür und drehte Manasse endgültig den Rücken zu,
»daß mich dein Produktionsleiter endlich über die wundersame Welt der
Fernsehwirtschaft aufklärt. Ausgezeichnet! Bin immer froh, mich auf

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