Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
ihr. Sie ahnte bereits, dass die stolze Kriegerin die Entführung ihres Schützlings mehr als persönlich nehmen würde.
Verstört sahen sich die Dorfbewohner um. Viele Häuser standen in Flammen, Leichen pflasterten die Straßen und der Geruch von frischem Blut hing in der Luft. Erst als Paul den Befehl zum Aufräumen gab, gewannen sie ihre Fassung zurück und begannen, die Brände zu löschen. Die Milizionäre suchten nach Überlebenden und luden die Toten beider Seiten auf Kleintransporter; zur späteren Einäscherung außerhalb der Siedlung. Man sah den Menschen an, dass dies nicht ihr erster Überfall war, doch so plötzlich und bei Tageslicht, das hatte Seltenheitswert. Butch überprüfte in der Zwischenzeit den Humvee und seufzte deprimiert.
»Völlig zerstört. Aus dem ist nicht mehr viel rauszuholen. Hat sie aber gut in Schach gehalten!«, brummte er mit einem anerkennenden Klopfen auf der Motorhaube.
»Hey!«, rief Cole, der die Leichen der Angreifer untersuchte. »Hier lebt noch einer!«
Darauf hatte Angel gewartet! Sofort sprang sie auf und stürzte auf ihren gehässig herabblickenden Kameraden zu, der seinen blutverschmierten Gefangenen bereits ins Dorfzentrum schleifte.
»Wo habt ihr sie hingebracht? Wohin?«, schrie sie den Mann an. Ohne auf eine Antwort zu warten, ergriff sie seinen Hals, zerrte ihn zu einer Blechwanne mit Löschwasser, tauchte seinen Kopf hinein und wiederholte die Frage so laut, dass er sie sogar untergetaucht verstanden haben musste. Nachdem das Wasser jedoch das Blut von seiner Haut gewaschen hatte, konnte man die Schussverletzung unterhalb der Kehle deutlich erkennen, die ihm das Sprechen unmöglich machte.
»Na großartig!«, fluchte Angel und schlug ihn zu Boden. »Seht nach, ob noch mehr überlebt haben, dann kann ich den hier zur Abschreckung umlegen!«
In ihren Augen funkelte ein gezähmt geglaubtes Feuer. Ungezügelter Hass auf die Tiere, die ihre Freundin entführt und halb Sienna abgeschlachtet hatten. Ihr Wutschrei war einem Schwur gleichgekommen. Die neuen Invasoren sollten den Tag verfluchen, an dem sie ihr den Krieg erklärt hatten!
Coles Männer fanden noch eine weitere Überlebende, eine an der rechten Schulter blutende Frau mit smaragdgrünen Augen und einem kupferfarbenen, aus einer Handvoll Haarsträhnen zusammengeflochtenen Zopf, der zwischen ihren Schulterblättern endete. Cassidy hatte keine Zeit mehr gehabt, Angel über ihr Zusammentreffen zu unterrichten. Daher maß sie ihr kaum Bedeutung bei, zumal das vermeintlich schwächere Geschlecht in den meisten Gangs nur eine untergeordnete Rolle spielte und die Gefangene ihr Haupt demütig gesenkt hielt. Erst als Cole spöttisch das schartige Katanaschwert hervorholte, dass seine Milizionäre in ihrem Besitz gefunden hatten, zog Angel argwöhnisch die linke Augenbraue hoch. Sie ließ sich von Paul eine detaillierte Karte der näheren Umgebung reichen und hielt sie den unbekannten Angreifern unter die Nase.
»WOHIN?«, rief sie die beiden lautstark ins Gesicht und deutete dabei auf die Zeichnung, für den Fall, dass sie ihrer Sprache nicht mächtig wären. Doch die Zurückgelassenen verstanden ihre Frage nur allzu gut, weigerten sich aber zu antworten. Die häufigen, furchtsamen Blicke, die der Mann seiner Kameradin zuwarf, sorgten bei Angel für zunehmendes Stirnrunzeln.
»Wenn du mir sagst, wo ihr meine Freundin hingeschafft habt, bekommst du Hilfe ... und wirst leben!«, flüsterte sie dem eingeschüchterten Gefangenen zu. Seine verängstigten Augen suchten in ihrer Mimik nach einer List, einer Lüge, doch Angel hatte ihr Pokerface nicht umsonst ein Jahrzehnt lang geübt. Trotzdem senkte er schon kurz darauf erneut den Kopf, um ihrer Frage auszuweichen. Nun musste ihre Erfahrung entscheiden, welcher Weg eher zum Erfolg führen würde. Nachsicht und Mitleid oder erbarmungslose Folter. Fast die ganze Siedlung hatte einen Halbkreis um sie herum gebildet und wartete auf das blutige Schauspiel. Die Berichte über ihre Informationsextraktionen galten als beliebte Gruselgeschichten am Lagerfeuer - und Cole schien bereits Wetten mit seinen Milizionären abgeschlossen zu haben, was für Methoden die berüchtigte Kriegerin diesmal anwenden würde. Es waren die simplen Dinge, die häufig zum Erfolg führten: Messer unter den Fingernägeln, Schnitzkünste am lebenden Objekt, Zahnarztspiele oder das gewaltsame Brechen der Fußknochen aufwärts bis zum Genick. Angel war für ihre konservativen Foltermethoden bekannt.
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