Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Pick-up gemacht hatte. Er versicherte ihr, dass es seitdem nicht berührt worden war. Ehrfürchtig näherte Angel sich der mausgrauen Stahlwand. Kim hatte sich inzwischen dazugesellt und verfolgte gebannt, wie sich ein erwartungsvolles Lächeln auf dem Gesicht ihrer Freundin formierte. Wie ein Kind zu Weihnachten riss sie die Folie von ihren Geschenken und hob ihre ganz persönliche Waffe aus der Verankerung. Das schwere Gewehr nach vier Jahren zum ersten Mal wieder in den Händen zu halten, löste eine Flut von längst vergessenen Gefühlen in ihr aus. Selbst die unzähligen Kerben auf dem Gewehrkolben, mit denen sie ihre Abschüsse gezählt hatte, waren noch deutlich zu erkennen. Für einen Atemzug fühlte sie sich in die Vergangenheit zurückversetzt, in der sie Überfälle vorbereitete und fetter Beute hinterherjagte, doch dann fiel ihr Blick auf Kim und der Moment war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Als hätte Angel die Präzisionswaffe nie aus der Hand gelegt, überprüfte sie die Mechanik mit fachmännisch geübten Handgriffen. Trotz fehlender Wartung war das Gewehr in einem exzellenten Zustand. Mit einem dankbaren Lächeln küsste sie Dog, schnappte sich etwas Munition von den Fünfzigern und verließ freudestrahlend den Sattelschlepper, um es sofort zu ölen und neu einzuschießen.
Es dauerte eine Stunde bis Butch beide Funksysteme auf dieselbe Frequenz justiert hatte. Mitch erwies sich in der Zwischenzeit als äußerst redselig, was Butch regelmäßig mit den Augen rollen ließ. Sie liefen zusammen von Wagen zu Wagen, arbeiteten gemeinsam wie ein eingespieltes Team an der Elektronik und ein sehr einseitiges Gespräch über ihre Vergangenheit. Mitch erzählte seinem neuen Kameraden wider willen, dass er selbst jahrelang von den Vultures als Sklave gehalten worden war. Mit seiner schmächtigen Statur war er für Schaukämpfe nicht geeignet, dafür besaß er ein außergewöhnliches Talent für elektrische Schaltungen und Fahrzeugtechnik. Trotz seiner Ablehnung gegenüber Gewalt hatte Dog sein Potential erkannt und stellte den leicht untersetzten Freak, wie ihn die Gang abwertend nannte, unter seinen persönlichen Schutz.
Die wieder aufgefüllten Wasserkanister auf der Ladefläche des Humvees zu verstauen, erwies sich unterdessen für Johnny und Victor in der heißen Sonne schweißtreibende Schwerstarbeit. Dog bot den Rangern an, einen Großteil der Ladung im Truck unterzubringen, doch so viel Vertrauen schenkten sie ihren neuen Verbündeten noch nicht. Nach zwei Stunden waren endlich alle Arbeiten erledigt und beide Teams versammelten sich zwischen Zugmaschine und Geländewagen. Dog bläute seinen Männern den bevorstehenden Wechsel in der Kommandostruktur ein. Trotz seines legendären Stolzes, und manche sprachen gar von Arroganz, wusste er, wo seine eigenen Schwächen lagen. Schon zu ihrer Zeit als einfache Vulture in seinen Diensten besaß Angel durch ihn große Befehlsgewalt. Er vertraute ihrem Urteil und verstand, dass niemand besser für diesen Job geeignet war. Seine Leute sahen das freilich etwas anders, riskierten jedoch keine Widerrede.
Butch und Mitch verteilten die neu justierten Funkgeräte und kurz darauf brach der Konvoi auf. In der heißen Sonne störte Angel der Platzmangel im Humvee nicht weiter. Sie saß wie schon am Tag zuvor auf der Ladefläche, obwohl Dog ihr angeboten hatte, bei ihm im Sattelschlepper mitzufahren. Sie wollte ihr Team in dieser Situation nicht allein lassen und der Hüne wusste es besser, als seine willensstarke Freundin zu etwas zu drängen.
Der Humvee führte die Reise gen Norden an, gefolgt von der rollenden Festung. Die beiden Buggys übernahmen die Nachhut. Trotz der Funkverbindung sprachen sie nicht miteinander. Angel sah hin und wieder unsicher zu Dog herüber, der sich in den Beifahrersitz der Zugmaschine flegelte. Sie war völlig durcheinander. Zum einen dachte sie an Cassidy, wie sie gefangen im Lager der Sicarii verzweifelt auf Rettung warten musste. Zum anderen weckte das Wiedersehen mit Dog längst vergessene Gefühle in ihr. Sie hatte überhaupt nicht vorgehabt, ihm schon am ersten Tag um den Hals zu fallen!
***
Als die mit Schlaglöchern übersäte Straße mit zunehmender Abenddämmerung kaum noch zu erkennen war, befahl Angel den Stopp der Kolonne. Butch hatte am Horizont einen breiten Hügel ausgemacht, der sich in der hohen Graslandschaft als einziger, halbwegs sicherer Rastplatz anbot. Ranger und Vultures stiegen aus ihren Wagen und
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