Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
gemeinschaftliches Brieftaubenprojekt mit dem anderthalb Tagesreisen entfernten Jaguar Bay als großer Erfolg.
Monroe bezeichnete kurz darauf das Lazarett als wertvollstes Juwel der Siedlung. Steven hatte bereits vor dem Kollaps als Assistenzchirurg gearbeitet. Außerdem standen ihm mehrere ausgebildete Krankenpfleger zur Verfügung. Medizinisches Equipment hatte bei allen Missionen absoluten Vorrang, weshalb die Arzneisafes des Dorfes gut gefüllt waren und es kaum an medizinischer Technik mangelte. Zusätzlich erlebte die über lange Zeit von der Wissenschaft verpönte natürliche Heilmedizin aus Kräutern und verschiedenen Teesorten einen zweiten Frühling. Zum Lazarett gehörte ein eigener Kräutergarten, der von Steven liebevoll gepflegt wurde.
Als sie zwischen den Wohnbaracken entlang schlenderten, wünschte Cassidy sich nichts sehnlicher, als ihrer Familie von diesem Ort berichten zu können. Die Tische waren inzwischen verschwunden und ein Spielplatz entstanden. Die Bewohner errichteten eine alte Tischtennisplatte, eine Schaukel und sogar ein Fußballtor. Mehrere Teenager liefen um den Spieltisch, an dem ein kunstvoll geflochtenes Netz die Mitte markierte. Zwei kleine Mädchen mit langen, im Wind wehenden Haaren klammerten sich an den Schaukeln fest und eine halbe Fußballmannschaft versuchte das Tor zu treffen, das aber problemlos von Anthony, dem dicken Koch, verteidigt wurde. Etwas abseits davon tagte die Skatrunde; als Einsatz galten Essensrationen oder die Pflichten im Lager. Gute Spieler konnten hin und wieder zusätzliche Urlaubstage ergattern. Johnny hingegen hatte schon häufig den Kuhstall ausmisten dürfen.
Monroe erklärte voller Stolz, wie gut das familiäre System der Gemeinschaft funktionierte. Anstatt zu kritisieren, fühlten sich die Dorfbewohner gleichermaßen für das Wohlergehen aller verantwortlich. Natürlich gab es hin und wieder Streit, aber das harte Leben und die permanente Bedrohung aus der Steppe ließen Dispute nie eskalieren. Wenn am Ende des Tages die Sonne hinter den Bergen verschwand, war dann doch jeder froh, am nächsten Morgen Nachbarn um sich zu haben, die einander im Kampf gegen die Gangs beistanden. Außerdem verstand Monroe, genau wie vor ihm General Peterson, dass die meisten Menschen in Zeiten großer Not streng geführt werden wollen. Militärische Hierarchien und strukturierte Aufgabenverteilung sorgten für ein Gefühl der Sicherheit, dem persönliche Freiheiten hin und wieder im Wege standen und dem Gemeinwohl geopfert wurden.
Viele Gangs waren aus ehemaligen Militär- oder Polizeieinheiten hervorgegangen. Jede halbwegs organisierte und bewaffnete Gruppierung begann nach dem globalen Zusammenbruch ums Überleben zu kämpfen; Nahrung, Munition, Treibstoff und Waffen zu erbeuten. Nur die wenigsten erhielten sich dabei ihre Menschlichkeit. Um nicht selbst zur marodierenden Bande zu werden, brauchte es harte aber faire Gesetze, an die sich zunächst seine Soldaten und kurz darauf auch die zivilen Flüchtlinge, die sich seinem Trek anschlossen, halten konnten. Wenngleich kompromisslos im alltäglichen Kampf gegen die Gangs hielten drakonische Strafen seine eigenen Leute von Willkür oder Vergewaltigungen ab. Im Gegenzug sorgte die geforderte Professionalität für beeindruckende Siege, die jeglichen Widerspruch im Keim erstickten. Unter der Führung Monroes hatte sich die Lage etwas entspannt, doch auch er legte großen Wert auf die Einhaltung der militärischen Hierarchie und hielt nichts von demokratischen Mehrheitsbeschlüssen.
Abseits der Wohnbaracken befand sich ein zwölf Meter breiter Holzpavillon, in dem sechs alte Fahrräder auf Stahlgerüsten montiert nebeneinanderstanden. Sie trieben je einen Generator an, von denen wiederum Kabelverbindungen zu einem eingezäunten Gebäude führten. Darin lagerten laut Monroe zwei Dutzend Hochleistungsbatterien aus Elektrofahrzeugen, die den erzeugten Strom speicherten und das Dorf versorgten. Er erklärte Cassidy, dass Benzin, Holz oder Kohle viel zu wertvoll seien, um sie zur Stromversorgung zu verbrennen. Der Pavillon dagegen erfreute sich großer Beliebtheit und stellte zusammen mit einigen anderen Sportgeräten eine Art Freiluftfitnesscenter dar. Als Alternative errichteten die Bewohner gerade eine Solaranlage, die sie in einem alten Kraftwerk erbeutet hatten. Hinter dem Pavillon befand sich ein Hindernisparcours, der von den Rangern zu Trainings- und Ausbildungszwecken genutzt wurde, aber normalerweise auch jedem
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