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Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)

Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)

Titel: Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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während er sich den Mittagsschweiß mit einem weißen Tuch von seiner spiegelglatten Stirn wischte und damit sein rechtes Holzbein polierte. Kim kuschelte sich an ihren Liebsten, um ihm die Situation etwas angenehmer zu machen. Butch und Victor hatten sich bewusst an den Kamin gesetzt, um außer Reichweite für etwaige Gespräche zu sein, und waren mit Cassidys Hilfe auf dem besten Weg den Gebäckvorrat des Dorfes aufzubrauchen. Der Marmeladenplätzchenversuchung hatten sie einfach nicht widerstehen können. Nur Angel stand beinahe regungslos am Fenster und musterte die Verteidigungsstellungen durch die vom Staub goldbraun gefärbten Gardinen hindurch. Im Zentrum der Siedlung befand sich ein großer Vogelkäfig, in dem ein halbes Dutzend Brieftauben auf ihren Einsatz nach Silver Valley warteten. Die fast in Vergessenheit geratene Kommunikationsform erlebte in den postapokalyptischen Wastelands einen zweiten Frühling. Boten auf Pferden oder Motorädern hatten die Gangs immer wieder abgefangen, aber gegen die Luftpost waren sie machtlos.
    »Nun erzählt mal, wie geht’s euch da unten so? Hat Frank seine Solaranlage zum Laufen bekommen?«, fragte Johnnys Vater neugierig. Erst jetzt bemerkte Cassidy das leise spielende Radio über dem Kamin, was auf eine komfortable Stromversorgung schließen ließ. Mike hatte von seinem Bruder inzwischen ein paar Kekse erobert und sich trotz dessen giftigen Blicken neben Kim gezwängt, während sie von der Energiegewinnung in Silver Valley berichtete.
    Nach etwa fünfzehn Minuten hielt Angel es nicht länger in der stickigen Wohnung aus. Sie klopfte Kim auf die Schulter und erklärte mit einem Fingerzeig auf ihre Uhr, dass sie in einer halben Stunde aufbrechen wollte. Anschließend verließ sie das alte Backsteinhaus. Cassidy überlegte, ob sie ihr folgen sollte. Als Butch bemerkte, wie sie immer wieder zur Tür starrte, drückte er ihr einen handtellergroßen, geflochtenen Korb mit Plätzchen in die Hand und winkte mit seinem Kopf in Richtung Tür.
    Während der heißen Mittagszeit ruhte das Leben in Jaguar Bay und die meisten Bewohner entspannten sich im Schatten ihrer Häuser. Dementsprechend schnell entdeckte Cassidy ihre bewaffnete Ausbilderin auf der Spitze einer langgezogenen Steinformation, deren unverkennbare Ähnlichkeit mit der ägyptischen Sphinx ihr den Namen Tigerfelsen eingebracht hatte. Außerdem diente sie als westlichster Aussichtspunkt der Siedlung.
    Der Aufstieg erwies sich beschwerlicher, als Cassidy es aus der Ferne angenommen hatte. Erosion und Wind sorgten im Laufe der Jahrzehnte für glatt geschliffene Kanten, an denen sie kaum Halt fand. Als sie es fast geschafft hatte und den Gebäckkorb auf der Spitze abstellte, erwartete Angel sie bereits und stahl ihr mit einem schadenfrohen Augenzwinkern die Plätzchen vor der Nase.
    »Warum nimmst du nicht die Treppe?«, murmelte sie mit vollem Mund und zeigte in Richtung des rostigen Geländers, das auf der Südseite des Felsens einen halbwegs sicheren Aufstieg markierte. »Hast es wohl auch nicht mehr ausgehalten, was?«
    Keuchend schüttelte sich das Mädchen den Staub aus der Uniform. Sie blickte ungläubig auf die in den Stein gehauenen Stufen, die sie von Johnnys Haus aus nicht hatte sehen können, ehe sie vorsichtig nickte.
    »Johnnys Familie ist – interessant«, erwiderte Cassidy zaghaft, um nichts Falsches zu sagen.
    »Soweit ich weiß, waren sie nicht gerade begeistert davon, dass er sein Leben dem Kampf gegen die Gangs gewidmet hat«, beschwichtigte Angel ihre Sorgen um Etikette, bevor sie ihr die restlichen Kekse in die Hand drückte und zur Felsenspitze schlenderte. Von hier konnte man die gesamte Siedlung betrachten, doch Angel interessierte sich vorrangig für die Verteidigungsanlagen. Die Bewohner hatten einen Großteil des Gleisnetzes demontiert und im Laufe der Jahre dutzende Panzersperren daraus zusammengeschweißt. Dazwischen hingen mit Stolperdrähten verkabelte Sprengfallen und vergrabene Minen. Maschinengewehrstellungen, Selbstschussanlagen und zwei stationäre Flammenwerfer mit fünfzig Metern Reichweite erwarteten mögliche Angreifer in einem zweiten Gefechtsring.
    »Ein wahrer Todesstreifen - sollte man meinen«, murmelte Angel nachdenklich und hockte sich auf den Boden. Als sie Cassidy den Blick zuwendete, nickte ihre Schülerin anerkennend. »Sienna hat eine identische Verteidigung und liegt sogar noch auf einem Hügel. Wenn die jemand überfallen konnte, womit sollen die anderen Enklaven

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