Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
einer dieser Stahlkolosse dutzende der massiven Anhänger fortbewegen sollte.
Routiniert manövrierten Butch und Johnny die Humvees durch das zwischen den Gleisen versteckte Minenfeld. Als Binnenhafen verfügte Jaguar Bay über zwei gewaltige Krananlagen, die ursprünglich zum Beladen der Frachtschiffe gedient hatten und nun hervorragende Aussichtstürme bildeten. Als die Humvees kurz darauf vor den Wohnhäusern zum Stehen kamen, wurden sie bereits von ein paar verschwitzten Arbeitern erwartet.
»Hey Mikey!«, rief Johnny seinem Bruder während des Aussteigens entgegen und umarmte ihn kräftig. Er hatte die ganze Fahrt von seiner Familie geschwärmt, aber so richtig glauben konnte Cassidy es nicht, denn dem drahtigen jungen Mann fehlten, neben seiner zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebundenen Mähne, die überflüssigen Pfunde seines älteren Bruders, so dass er glatt als Victors Zwilling durchgegangen wäre. Mike winkte seinen Kameraden zu, die daraufhin die Getreidesäcke auf eine Schubkarre luden und davonschafften.
»Hast dich ja ewig nicht mehr blicken lassen Dicker! Mutter hat sich schon Sorgen gemacht«, spottete er, doch als Kim die Wagentür von außen zuschlug und sich ihnen näherte, räusperte sich der junge Mann und wirkte plötzlich wie ausgewechselt. »Aber für diesen Anblick hat sich das lange Warten natürlich gelohnt!«
Als er kurz davor stand, ihr die Hand zu küssen, griff Johnny mürrisch nach seinem Nacken und zerrte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Er kann‘s einfach nicht lassen!«, brummte das Schwergewicht und legte seinen Arm um Kims Schultern, als wolle er seinen Besitz verteidigen. »Hast du dich etwa schon wieder mit Jasmin verkracht?«
Grummelnd rieb sich sein Bruder die schmerzende Stelle an seinem Hals, bevor er die Gruppe ins Haus führte.
»Wie man‘s nimmt. Sie ist vor ein paar Wochen mit ihrer Familie nach Sienna gezogen.«
Das Team stand unter striktem Befehl, niemandem von dem Abbrechen des Kontaktes mit der nördlichsten Enklave zu berichten, aber der plötzliche Stimmungswechsel und die ernsten Blicke untereinander blieben dem aufgeweckten Schönling nicht verborgen.
»Was ist? Gibt’s Probleme mit der Siedlung?«, fragte er misstrauisch, bevor er die Türklinke zu Johnnys Elternhaus herunterdrückte.
»Die Gangs haben ihre Aktivität im Norden verstärkt und Sienna hat uns gebeten, mal bei ihnen vorbeizuschauen«, antwortete Angel. Ihr stand es als Einzige zu, Informationen preiszugeben, und Funkstille konnte man in diesem Fall durchaus als Hilferuf interpretieren.
»Verstehe«, brummte Mike und zog seinen Bruder beiseite, während die anderen das Haus betraten. »Hey, sag mal, wer ist denn die Neue bei euch?«
Johnny rollte mit den Augen, als der kleine Romeo, vor dem die Mütter Jaguar Bays ihre Töchter warnten, mal wieder sein Fraueninteresse im Minutentakt wechselte. Er wartete, bis das Team außer Hörweite war, bevor er seinen Bruder mit den Schultern an die Wand nagelte, um seinen Worten Geltung zu verschaffen.
»Die Kleine gehört zu Angel. Wenn dir also deine Hände lieb sind, lässt du besser die Finger von ihr!«
Das zeigte Wirkung. Die unzähligen Gerüchte über die ausgefallenen Foltermethoden der ehemaligen Vulturekommandeurin ließen den leicht untersetzten Jungspund erblassen und zustimmend nicken. Johnny setzte ein diabolisches Lächeln auf und folgte den anderen ins Esszimmer. Seine Mutter hatte keine Zeit verschwendet und gab bereits peinliche Anekdoten ihres älteren Sohnes zum Besten. Zerknirscht zwängte er sich neben Kim auf die purpurfarbene Couch.
»Eines Tages kam mein Großer plötzlich mit zwei Uniformen zur Tür hereingeschneit und meinte, er wäre jetzt Soldat und ich solle daraus doch bitte einen passenden Anzug schneidern!«, erzählte die rüstige Frau mit einem Dutzend Lockenwicklern in den Haaren, so dass ihr Sohnemann wie ein Chamäleon die rote Farbe des Sofas annahm und am liebsten im Boden versunken wäre. Das erklärte auch, warum seine Kleider viel mehr Flicken als die seiner Kameraden aufwiesen.
»Victoria, jetzt lass doch den Jungen in Ruhe! Seine Freunde sollen ihm ihr Leben anvertrauen und du erzählst hier solche Räuberpistolen!«, tadelte Johnnys einbeiniger Vater, von dem er unverkennbar das Übergewicht geerbt hatte. Der schwerfällige, aber gutmütig wirkende Mann lehnte sich in seinem stark ausgebeulten Ledersessel am Fenster zurück und paffte gemächlich an seiner Elfenbeinpfeife,
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