Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
sie dann aufhalten?«
Nun verstand ihr Schützling, worauf sie hinaus wollte. Cassidys Augen weiteten sich bei der Vorstellung, dass keine der Siedlungen mehr sicher sei. Angel offenbarte ihr unbewusst die Naivität ihrer Idee der Uneinnehmbarkeit von Silver Valley, von der sie bis zu diesem Moment überzeugt gewesen war.
»Aber wer weiß, vielleicht haben die Vultures auch nur unser Team erwischt und damit die Kommunikation gestört«, versuchte ihre Ausbilderin sie zu beruhigen. »Sowas kommt schon mal vor.«
Kaum hatte sie den Satz beendet, bemerkte sie, wie sie dadurch lediglich Öl in das Feuer von Cassidys Sorgen geschüttet hatte. Ein schadenfrohes Augenzwinkern vor dem Abstieg war alles, was sie jetzt noch zu retten vermochte.
Angel gönnte sich gerade einen Schluck aus der Feldflasche, als Kim mit dem Rest ihres Teams aus dem Haus heraustrat. Victor tauschte bei den örtlichen Rangern eine Handvoll seiner Rohrbomben gegen knapp zwei Meter lange Stahlstangen ein, aus denen er wieder neue Sprengsätze bauen würde. Angel rollte genervt mit den Augen, als er die drei Rohre quer auf der Ladefläche ihres Humvees festzurrte. Johnnys Mutter konnte ihren ältesten Sohn nur schwer ziehen lassen. Erst als sein Vater dazwischen ging und ihm stolz auf die Schulter klopfte, löste sich ihre Umklammerung. Diese Abschiedsszene war einer der Gründe, warum Angel so ungern nach Jaguar Bay kam. Sie selbst hatte keine Familie und empfand das theatralische Getue von Johnnys Eltern als nervtötend und überflüssig; aber ein Auftrag war eben ein Auftrag. Mike öffnete Cassidy die Tür des zweiten Humvees, traute sich jedoch weder sie anzusprechen noch direkt anzusehen, was von seinem Bruder mit einem gehässigen Grinsen gewürdigt wurde. Zum Abschied reichte er Johnny noch einen Brief durch das hochgeklappte Seitenschott.
»Gib den Jasmin, wenn du sie siehst«, murmelte er verlegen. »Und lies ihn nicht selbst!«
Bevor sich ihr Freund einen spitzen Kommentar überlegen konnte, riss Kim ihm den Umschlag aus der Hand, vergrub ihn in ihrer Weste und nickte dem kleinen Casanova verständnisvoll zu. Kurz darauf passierten die beiden Geländewagen den äußeren Verteidigungsgürtel und ließen Johnnys Heimat hinter sich. Wehmütig blickte er in den Rückspiegel, bis er seine zum Abschied winkende Familie nicht mehr erkennen konnte. Ihrer Ansicht nach sandte Monroe ihn viel zu selten nach Hause, aber am Ende jedes Besuchs war er wieder mit Angel einer Meinung und bevorzugte die Fernbeziehung.
***
Als die Sonne sich langsam dem Horizont zuneigte, verließ das Team die asphaltierte Straße neben den Bahngleisen und musste sich mit holprigen Feldwegen begnügen. Die Humvees kamen deutlich schwerer voran und die Reise wurde zunehmend unbequemer.
Je mehr sie sich Cassidys zerstörter Siedlung näherten, desto intensiver quälten sie Erinnerungen an die verlorene Heimat und den grausamen Überfall. Außerdem verfluchte sie ihren chronischen Heißhunger auf das süße Gebäck, aufgrund dessen sich ihr Magen mit jedem Kilometer unangenehmer zu drehen begann.
»Cassidy, hast du was dagegen, wenn wir bei dir im Dorf die Nacht verbringen?«, knisterte plötzlich Angels Stimme aus dem Funkgerät. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Noch einmal an den Ort des Geschehens zurückkehren und wohlmöglich die verbrannten, halb verwesten Leichen vorfinden? Ein saures Gefühl sammelte sich in ihrer Mundhöhle und sie stand kurz davor, sich zu übergeben.
»Ich weiß, dass das nicht angenehm wird, aber euer Gebiet lässt sich nachts gut verteidigen«, fügte Angel hinzu.
Kim drehte sich mit einem besorgten Blick auf dem Beifahrersitz zur Rückbank um, entschied sich jedoch in dieser Angelegenheit zu schweigen. Angel hatte Recht. Vom Hang aus konnte man die Umgebung gut im Auge behalten und der Wald bot Feuerholz im Überfluss. Schließlich seufzte Cassidy und nickte Kim bestätigend zu.
»Sie ist einverstanden!«
»Okay. Lass Butch vorausfahren, er kennt den Weg!«
Cassidy konnte den bedrückten Blick ihrer Freundin deutlich erkennen, als sie kurz darauf vom zweiten Humvee überholt wurden.
Bei Einbruch der Dämmerung erreichten sie ihr Ziel. Kaum etwas hatte sich verändert. Der große Scheiterhaufen stand nach wie vor in der Mitte des Tals und die verbrannten Hütten klapperten im schwachen Steppenwind. Eine dicke Staubschicht lag über der Siedlung und es dürfte nur noch wenige Wochen dauern, bis man überhaupt nichts
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