Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
sie die Waffe betrachtete. Die Vorstellung aufzugeben und sie auf sich selbst zu richten, um nicht zu sterben wie die anderen, kreuzte ihren Verstand. Angel meinte einmal zu ihr, dass sie der Gedanke an Selbstmord durch so manche schlaflose Nacht in den zahlreichen Gefängniszellen ihrer Laufbahn geholfen hatte. Doch dann erinnerte sie sich an die Flucht aus ihrem Dorf, wo sie vor derselben Entscheidung stand, sich aber gegen die Aufgabe entschieden hatte und mit einem neuen Leben belohnt worden war.
Cassidys Augen spähten über die Stahlwand hinweg auf den Ausgang zu. Trotzig entsicherte sie ihre Pistole und kletterte aus dem Container heraus. Mit einem lauten Platschen kam sie auf dem Boden auf, wo sich eine zentimetertiefe Wasserschicht aus der Gletscherschmelze des Gebirges gebildet hatte. Ein Gefühl von Dankbarkeit für das feste und vor allem wasserresistente, militärische Schuhwerk erfasste sie. In der linken Hand den grünen Leuchtstab und in der anderen die Waffe atmete sie noch einmal tief ein, ehe sie beides vor sich hielt und die Tür öffnete. Ein markerschütterndes, metallisches Knarren begleitete die ersten Schritte ihres Fluchtversuches, woraufhin Cassidy erschrocken zusammenzuckte und innehielt.
Erneut schloss sie die Augen, versuchte sich zu beruhigen und zu konzentrieren. Sie durfte nicht an ihre hoffnungslose Situation denken, sondern musste all ihre Energie auf die vor ihr liegende Aufgabe fokussieren. Also startete sie einen neuen Versuch, indem sie sich quer durch den schmalen Spalt der Stahltür zwängte, um nicht noch mehr Lärm zu verursachen. Sie befand sich in einer großen Halle, in der vier angerostete Müllfahrzeuge standen, deren Beschriftungen kaum noch zu erkennen waren. Im sichtbaren Bereich ihres Stabes konnte sie ein halbes dutzend Tore ausmachen, wie das, aus dem sie gekommen war. Der leblose Wasserteppich, der durch ihre Fußtritte in Bewegung geraten war, spiegelte das grüne Licht an die Decke der gesamten Etage und ließ die Umgebung unheimlich lebendig wirken. Cassidy schlurfte an der grauen Betonwand entlang, um nicht die Orientierung zu verlieren, bis sie auf einen langen Gang traf, der laut einem Wegweiser von der Müllverarbeitungsanlage zu den Aufzügen und dem Treppenhaus führte. Dessen Wandverkleidungen bestanden aus engmaschigen Eisengittern, hinter denen sich die schweren Geräte zur Müllverwertung befanden. Plötzlich hatte sie das Gefühl, das Plätschern von Fußstapfen im Wasser zu hören, ähnlich der Schritte, die sie schon auf dem Servicegang wahrgenommen hatte, kurz bevor sie abgestürzt war. Sie hockte sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Weder vor noch hinter ihr vermochte sie ein Lebenszeichen zu entdecken und auch die Geräusche waren wieder verschwunden. Als sie ihren Weg gerade fortsetzen wollte, spürte sie einen heißen Atem in ihrem Nacken. Für einen Augenblick tat sie das Gefühl als Einbildung ab, doch es verschwand nicht mit dem unheimlichen Plätschern. Es wurde sogar intensiver! Mit verängstigten Augen drehte sie sich um, konnte aber erst etwas erkennen, als sie Pistole und Leuchtstab in Richtung der Wand hielt. Von der anderen Seite des Gitters starrte sie ein Augenpaar an, groß und grün funkelnd. Zunehmend erkannte sie einen geöffneten Kiefer, gefletschte Zähne und schließlich eine Nase – den gesamten Kopf und Körper. Nur einen halben Meter von dem Tier entfernt vernahm sie seinen heißen Atem, der durch die mit Speichel triefenden Fänge zischte. Der schwarze Riesenwolf ließ sie keinen Moment aus den glänzenden Augen, die eine unheimliche Entschlossenheit und Intelligenz ausstrahlten. Cassidys Puls raste. Sie konnte fühlen, wie sich Welle auf Welle ihres Blutes durch die Halsschlagader presste. Vermutlich vermochte der Wolf das sogar zu hören. Instinktiv spürte sie, wie das Untier sie genau da hatte, wo er sie haben wollte. Plötzlich schoss ihr durch den Kopf, dass er wohl kaum allein sein würde. Sie hielt den Leuchtstab in Richtung Ausgang – nichts, in Richtung Müllverarbeitungsanlage – nichts, doch als sie das Licht zurück zur Wand schwenkte, war der Wolf verschwunden und sie vernahm erneut das Plätschern näherkommender Schritte. Nun konnte sie die Laute endlich identifizieren. Es waren weitere hungrige Jäger, die hinter der Gitterwand auf sie gelauert hatten!
Sofort trat sie den Rückzug zum Treppenhaus an, wobei sie ihr schmerzendes, hinkendes Bein viel Zeit kostete. Verunsichert blickte sie
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