Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
allmählich über den Verlust ihres Kameraden hinwegkam. »Drüben haben wir richtige Nahrung.«
Niedergeschlagen schlurfte sie in den Nebenraum, in dem sich hunderte Dosen Fertiggerichte in ein paar Regalen stapelten. Das Militär hatte für viele Wochen unterschiedlichste, jahrzehntelang haltbare Vorräte eingelagert. Cassidy konnte zwischen einem Nudeleintopf, einer Kartoffelsuppe, Kohlrouladen, Chili con Carne und gut einem dutzend anderer Köstlichkeiten wählen. Leben breitete sich in ihrem jungen Körper aus, als sie ausgehungert eine Portion Spaghetti Bolognese verschlang, die Jason ihr zuvor in einem kleinen Kasten mit Glastür erwärmt hatte, der dabei ununterbrochen Funken schlug. Für das unbedarfte Mädchen vom Lande grenzte das bereits an die Zauberei aus ihrem Märchenbuch und sie ließ den Wunderkasten keinen Moment aus den Augen.
Während sie ihre köstliche Mahlzeit genoss, brachte sie die Vermissten auf den neuesten Stand, berichtete vom Verbindungsabbruch zum Rest ihrer Kameraden und wie sie in der Müllverarbeitungsanlage gelandet war. Jason schien noch immer wenig begeistert darüber zu sein, dass gerade Angel gekommen war, um ihn zu retten, unterbrach sie aber nicht in ihren Ausführungen. Als Cassidy mit der Suche nach den anderen beginnen wollte, hielten die beiden sie jedoch zurück. Sharon fragte ernst, wie lange ihr Team bereits in der Basis war, doch die Teenagerin hatte keine Uhr und ihr Zeitgefühl unter Tage war denkbar schlecht. Sie erinnerte sich lediglich daran, dass die Sonne kurz davor stand unterzugehen, als sie die Schleuse öffneten und die Anlage betraten. Jason überprüfte den silbern glänzenden Chronometer an seinem Handgelenk und seufzte niedergeschlagen. Der Sonnenuntergang war fast neun Stunden her. Cassidy war über sechs Stunden bewusstlos gewesen. Trotzdem verstand sie die Zurückhaltung nicht, bis Sharon sie darüber aufklärte, dass der Basiscomputer die Quarantäneprotokolle ausgelöst hatte und das Betonschott zur Außenwelt in drei Stunden automatisch schließen würde. Auf die Art hatte die Forschungsstation ihr Team vor einer Woche eingeschlossen, ohne die Möglichkeit die Tür von innen zu öffnen. Bevor das jedoch geschehen war, hatte sich auch ein kleines Wolfsrudel unter die Erde verlaufen und machte seit dem Jagd auf sie. Das notdürftig eingerichtete Quartier war ursprünglich ein Kühlraum gewesen, dessen Isolierung die feinen Ohren der Tiere daran hinderte, sie zu orten. Der überwältigende Verwesungsgestank verdammte ihre Spürnasen gleichzeitig zur Nutzlosigkeit, wodurch die Zuflucht im Lagerraum beinahe völlige Sicherheit bot. Sie verließen ihn nur, wenn es absolut nötig war. Sharon zeigte auf den Müllschlucker im Raum gegenüber, durch dessen Rohr sie Cassidys Schreie beim Sturz in die Tiefe gehört hatten. Ein weiterer Kommunikationsversuch über das Headset endete ebenfalls erfolglos.
Auf die Frage, warum die Wölfe so ungewöhnlich aggressiv und territorial vorgingen, wussten die beiden Überlebenden keine Antwort, aber es spielte ohnehin kaum eine Rolle. Sie hatten nur noch drei Stunden, um der Todesfalle zu entrinnen und wollten nicht eine Minute länger verschwenden. Cassidy erhielt zwei neue Magazine für ihre Pistole, dann öffneten sie vorsichtig die massive Edelstahltür. Jason hatte ein selbstleuchtendes E-Paper mit einem interaktiven Plan des Stützpunkts bei sich und übernahm die Führung. Farbige Linien auf dem Boden wiesen ihnen zusätzlich den Weg, anhand derer man Ortsfremde zu bestimmten Laboren oder Stationen schicken konnte. Ihr erstes Ziel war Ebene einundzwanzig, wo Kim und ihre Kameraden vermutlich nach wie vor fest saßen. Sie wählten bewusst den Weg durch schmale Korridore und Servicetunnel, da die weißen Wände das Licht dort besonders weit reflektierten und es die Wölfe schwer hätten, sie einzukreisen.
Der Zugang zum Treppenhaus war versperrt und die Sicherheitstür ließ sich nicht aufbrechen. Als einzige Alternative bot sich der Umweg rund um den großen Fahrstuhlschacht an, der fast bis zur Decke als Tragesäule des Komplexes diente. Der Weg bestand aus denselben Bodengittern, durch die Cassidy zuvor in die Tiefe gestürzt war. Bei dem Gedanken an die unheimliche Dunkelheit unter ihren Füßen drehte sich ihr der Magen um. Sie verfluchte Sharon innerlich für die leckeren Nudeln. Jedes noch so kleine Geräusch ließ sie zusammenzucken und nach dem Geländer greifen. Ihr rechter Oberschenkel schmerzte
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