Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)

ihrem Rücken trug.
    Die Untersuchung dauerte fast einen Monat, da Sydney immer wieder zwischen den Nomadenfamilien und den Großgrundbesitzern hin und her reiten musste. Am Ende entdeckte sie, dass die Farmer sich absichtlich untereinander bestohlen, die Brandzeichen gefälscht und die Tiere in die Herden der Nomaden geschmuggelt hatten, um die landstehlenden Parasiten loszuwerden. Daraufhin verfügte die Bacchae, dass sich die Landwirte nicht nur öffentlich entschuldigen, sondern den fälschlich beschuldigten Nomaden zusätzlich einmal im Jahr einen Großteil ihrer Ländereien zur Verfügung stellen mussten. Außerdem durften die Steppenfamilien das eingeschleuste Vieh behalten.
    Die unerwartete Gerechtigkeit, mit der weder die Nomaden noch die Farmer gerechnet hatten, imponierte Jade so sehr, dass sie unbedingt weiter für die Bacchae arbeiten wollte und sich nach ihrer Rückkehr nach Alexandria bei der Prätorianischen Garde bewarb. Die elitäre Sondereinheit stellte das militärische Rückgrat des Kults dar, die nicht jeden Auftrag allein ausführen konnten. Wann immer sie loyale Truppen benötigten, durften sie laut dem sicariianischen Gesetz bis zu sechs Prätorianer befehligen. Gleichzeitig war es die Aufgabe der Prätorianer, über die Handlungen der Bacchae Buch zu führen. Sie waren bis an die Zähne bewaffnete Chronisten, die ihre Berichte an den Tempel in Alexandria sandten, so dass eine einzelne Bacchae nie unbemerkt eigenen Zielen nachzugehen vermochte.
    Jade erinnerte Cassidy an die Soldaten mit den schwarzen Baretts, die im Zuge ihres Aufeinandertreffens in Brackwood die Ruhe bewahrt und erst auf Jades Befehl hin zu den Waffen gegriffen hatten, während die Legionäre direkt nach der Explosion bei den Gefängniszellen der Panik verfallen waren. In Arnac schützten sie Cassidy, Jiao und Dog ohne Widerrede gegenüber den Stadtunruhen, obwohl sie offiziell als Feinde des Imperiums galten. Einer von ihnen hatte Dog sogar einen polizeilichen Kampfstab zugeworfen, damit er sich mit Jade duellieren konnte.
    Jade war mit ihren vierzehn Jahren natürlich noch zu jung für den militärischen Drill der Spezialeinheit und stand kurz davor, ihr Schicksal enttäuscht zu akzeptieren, als sie ein Brief von Sydney erreichte. Ihre gesunde Aggressivität und ihr verbissener Kampf um Gerechtigkeit hatten Sydney dermaßen beeindruckt, dass sie ihre Schülerin werden sollte.
    Jede Bacchae durfte nur eine Schülerin haben, die zuvor von den Ältesten im Themis-Tempel akzeptiert werden musste. Dabei war es die Aufgabe der Mentorin in spe, als eine Art Anwältin die Talente und Tugenden ihrer Auserwählten vor den anderen Bacchae zu verteidigen. Jade erinnerte sich daran, wie Sydney immer wieder betont hatte, dass sie niemals lockerlassen würde, wenn sie einmal ein Ziel ins Auge gefasst hatte. Sie wusste, dass ihre Familie genau wie die anderen Nomaden unschuldig gewesen war, und behauptete sich gegen all die vergleichsweise reichen Grundbesitzer, die sie als niedere Lebensform betrachteten. Ein solch gesundes Gerechtigkeitsempfinden war in der postapokalyptischen Endzeitsteppe selten, in der sich meist jeder selbst der Nächste war und möglichst keinen Ärger provozieren wollte, und wurde entsprechend gewürdigt.
    Anschließend musste sich Jade im Kampf beweisen. Keine Bacchae durfte sich von einem dahergelaufenen Straßenräuber besiegen lassen, und obwohl ihr im Falle der Aufnahme jahrelanges Training zuteilwerden sollte, musste sie schon vorher ihr Talent dafür zeigen. Dabei kamen ihr die Raufereien mit ihren fünf Brüdern und Sydneys Lehrstunden zugute. Zudem hatte sie das entbehrungsreiche Leben in der Steppe abgehärtet und sie unempfindlich gegenüber oberflächlichen Schmerz werden lassen.
    Die intellektuellen Prüfungen fielen ihr nach gerademal zwei Jahren in der Schule am schwersten, doch Sonderbehandlungen gab es bei den Bacchae für niemanden. Am Ende war sich der Rat einig, dass sie zwar nie Brücken konstruieren oder Chroniken verfassen würde, aber die Lücken in ihrer Bildung durch Disziplin schnell aufholen konnte.
    Jade erinnerte sich noch genau daran, wie sie auf den staubigen Stufen des Tempels auf und ablief, während sich Sydney im Inneren mit ihren Schwestern um ihre Aufnahme stritt. Eine der erfahrensten Agentinnen – Scarlet – hatte wiederholt gegen sie argumentiert. Die Bacchae sollten ein Symbol für die Größe und die Zivilisation des Imperiums darstellen und das könne ein