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Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)

Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)

Titel: Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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jungen Jahren, Verantwortung für ihr Eigentum zu übernehmen. Wer es aus Eigenverschulden verlor, musste sich ein neues Fahrrad durch Arbeit verdienen. Dasselbe galt für größere Versionen, sofern man als Jugendlicher nicht mehr mit einem Kinderrad unterwegs sein wollte.
    Die motorisierte Fortbewegung war mit dem Ende der Zivilisation zum Luxus avanciert. Zwar betrieb das Imperium noch einige Ölfelder mit ausreichendem Ertrag, hielt aber gleichzeitig die Preise für Benzin und Diesel künstlich hoch und reservierte die Hälfte zur militärischen Nutzung. Zum Ausgleich subventionierte das Reich den Schienenverkehr.
    Cassidy bekam von Jades Ausführungen kaum etwas mit. Ihre Konzentration wurde von einer Gruppe Ponys abgelenkt, auf deren Rücken ein paar überglücklich anmutende Kinder durch die Straßen trabten. Bis auf einen Jungen waren es ausschließlich Mädchen, der sich dafür aber der Aufmerksamkeit aller Damen gewiss sein durfte.
    In den Erdgeschossen der Wohnblöcke hatten sich gemütliche Cafés und Restaurants eingerichtet. Eine bunte Mischung unterschiedlichster Stühle und Sitzbänke auf den Gehwegen luden unter geflickten Markisen und Sonnenschirmen zu einem erfrischenden Getränk oder einer stärkenden Mahlzeit ein, während im Hintergrund Musik aus dem Radio lief. Kein Vergleich mit der muffigen Atmosphäre der heruntergekommenen Straßen von Arnac.
    Alexandrias belebte Promenade mündete in den grünen Park, den man bereits von den Hügeln außerhalb der Stadt sah. Sophiaplatz nannte Jade die gepflegte Idylle. Die Grasflächen im Zentrum erschufen eine paradiesische Oasenatmosphäre inmitten der heißen Steppe. Majestätische Laubbäume mit raschelnden Blätterkronen spendeten angenehmen Schatten. Ganze Schulklassen schienen geschützt von schneeweißen Pavillons in hitzige Diskussionen verstrickt zu sein. An anderen Stellen spielten Kinder auf hölzernen Klettergerüsten oder schwangen sich in Schaukeln vor und zurück.
    »Wo kriegt ihr das Wasser für so viel Gras her?«, fragte Cassidy.
    »Fass es doch mal an«, erwiderte Jade.
    Cassidy kniete sich auf den Boden und ließ ihre Hände durch die grünen Halme streifen, die alle eine nahezu exakt identische Länge besaßen.
    »Fühlt sich komisch an. Was ist das für Gras?«
    Jade hockte sich zu ihr herunter und faltete ein Büschel auseinander. Zum Vorschein kam ein feinporiges Geflecht aus Kunststoff anstelle der zu erwartenden Erde.
    »Das ist synthetischer Rasen«, erklärte sie. »Der ist nicht lebendiger als deine Schuhe und benötigt kein Wasser.«
    »Und trotzdem sieht der so echt aus?«
    »Wir haben ihn gut gepflegt«, nickte Jade stolz. »Aber wenn du genau hinsiehst, entdeckst du die Flickenschusterei. Der Belag war für zwanzig Jahre ausgelegt. Das ist vierzig Jahre her.«
    »Was ist mit den Bäumen?«, wollte Dog wissen. »Bestehen die auch nur aus Plastik?«
    »Nein«, antwortete Jade und setzte ihren Weg fort. »Die sind echt. Den kleinen Luxus gönnen wir uns.«
    Cassidy hätte sich am liebsten sofort zu den Schülern gesetzt und den Lehrern gelauscht, während Dogs Fluchtinstinkt im Angesicht des ungezügelten Geschwafels Alarm schlug. In einem seltenen Moment der Einigkeit folgte er Jade, als die sie zur Eile antrieb. Sie hatte Sydney bereits entdeckt, die auf den Stufen des Tempels ungeduldig auf sie wartete.

5 – Macht
     
     
K aum hatten sie den Sophiaplatz verlassen, kam ihnen Sydney die Treppen vom Tempel hinab entgegengelaufen. Sie war von Jade in ihrer Lebensgeschichte derart bildlich beschrieben worden, dass selbst Dog sie erkannte.
    »Da bist du ja endlich! Scarlet ist schon vor zwei Tagen eingetroffen!«, rief sie Jade aufgeregt entgegen.
    Ihre Mentorin war inzwischen Anfang vierzig und ihre Falten nach vielen Jahren unter der erbarmungslosen Endzeitsonne unübersehbar. Trotzdem wirkte sie adelsgleich wie ihre Schülerin, wodurch sie eine ganz eigene Aura der unantastbaren Schönheit umgab. Sie war unbewaffnet und trug ein schneeweißes Kleid, das im schwachen Wind wehte. Damit unterschied sie sich vollkommen von den anderen Bewohnern, die praktischere Kleidungsstücke benutzten. Der dünne Stoff glich feinster Seide und verlieh ihr einen engelsgleichen Anschein, der aber aufgrund ihrer Anspannung bei jedem Beobachter sofort in tausend Scherben zersprang.
    »Und wo ist deine große Überraschung?«, fragte sie mit einem enttäuschten Schmollen auf den gepflegten Lippen. »Wolltest du hier nicht im Flug

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