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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Sassie wissen.
    – Von überallher. Ich weiß es nicht, aber ich sage euch, da ist ein Riesenauftrieb in unserem Garten.
    Eine Zeitlang waren sie im Windschatten von Holmen und Schären gedümpelt, doch jetzt wurde ihr Boot schneller. Sie verließen die Küstenlinie. Um sie herum war nur noch Wasser, auf einmal war auch die Dünung zu spüren. Myrbäck befühlte seine bis zum Hintern durchnässte Hose.
    – Wohin fahren wir? Sassies Stimme klang beunruhigt.
    Als stelle auch er sich erst jetzt diese Frage, sprang Myrbäck auf und klappte die Sitzbank unter sich auf. Der Benzintank war zu kaum einem Viertel gefüllt. Eine halbvolle Tüte Kartoffelchips war zwischen Tank und Batteriekasten gerutscht. Er entrollte sie, sogar im Fahrtwind stieg ihm ekelerregendes Zwiebelaroma in die Nase. Er hielt die Tüte Holzapfel unter die Nase, bevor er sie über Bord warf. Eine ganze Zeitlang schaukelte sie auf den Wellen, ohne unterzugehen. Als sie außer Sichtweite war, sagte Myrbäck:
    – Zum Anleger in Näsudden ist es zu weit. Wir haben zehn Minuten, bei niedrigem Tempo bestenfalls zwanzig.
    – Also. Wohin jetzt? Sassie klang ungeduldig.
    – Ins Schussfeld. Nach Sillviksbergen. Dort stehen Bunker und leere Armeebaracken.
    – Ja, und?
    – Dann sehen wir weiter. Ein paar Wege führen zur Inselmitte. Die müssen wir finden.
    Keiner widersprach. Jan und Sassie wussten, dass er mit dem Rad auf dem verlassenen Militärgelände unterwegs gewesen war. Es gab nicht viel Verkehr auf dem südlichen Inselteil. Tagsüber streiften Touristen oder Pfadfindertrupps über die Sandstraße, zwei-, dreimal täglich fuhren die Leute vom Bauernhof für Besorgungen in den Hauptort. In der Nacht war außer Wildschweinen niemand unterwegs. Sie würden sich zu Fuß auf die Straße vorkämpfen.
    – Du bist nicht wirklich ins Haus zurück, um dein Schweißgerät zu holen, oder? Myrbäcks Worte kamen hastig, fast wie ausgespien.
    – Oh, doch. Holzapfel hob sein Schweißgerät, drehte und wendete es auf seinem Schoß, um die letzten Tropfen Seewassers aus ihm herauszuschütteln.
    Myrbäck sprang von der Bank auf, riss ihm das Gestänge aus der Hand, hielt es über Bord und rief:
    – Sag die Wahrheit!
    Holzapfel machte keine Anstalten, um das Schweißgerät zu kämpfen. Kapitulierend sagte er:
    – Jana. Ich musste mit ihr sprechen.
    – Und? Was erzählt sie so?
    – Ihre Männer lassen sie nicht aus den Augen. Sie halten sie gefangen, glaube ich.
    – Du und die Hexe. Ein tolles Pärchen seid ihr! Vorhin sah es nicht so aus, als wäret ihr dicke miteinander. Sie und ihre beiden Blondschöpfe schienen ein Herz und eine Seele. Er warf das Schweißgerät auf den Boden des Bootes.
    – Sie muss sich doch verstellen. Was bleibt ihr übrig? Sie muss so tun, als ob sie uns jagt. Uns und die Kiste.
    – Die Kiste schon wieder, stöhnte Sassie. Eure Kackkiste! Eure verschissene Zukunft! Wenn ihr euch selbst hören könntet, ihr Idioten!
    Steuerbords zogen zwei Schären an ihnen vorbei. Schiefe, durchlöcherte Hausattrappen standen auf den baumlosen Felsen. Aus dem Wasser zwischen den Inseln ragten Betonfundamente und Stahlgerippe, riesigen Spinnen gleich. Hier hatte die schwedische Marine bei ihren Manövern mit schwerer Artillerie um sich geschossen.
    – Was ist, wenn sie dich verarscht hat?, fragte Myrbäck.
    Holzapfel gab keine Antwort.
    Mit der endenden Nacht erwachte eine Brise. Myrbäck spürte den kühlen Fahrtwind auf der Haut. Er rückte näher an Sassie heran. Sie legte ihren Arm um ihn. Er sah auf ihre Uhr. Bald zwanzig Minuten waren sie unterwegs.
    – Eine Frage noch, sagte er. Warum erst jetzt? Warum hast du monatelang deine Klappe gehalten?
    – Die Verhandlungen haben sich verzögert.
    – Welche Verhandlungen?
    – Na, mit den Käufern. Es gibt Interessenten. Jana hat mit ihnen verhandelt. Alles scheint klar. Wir brauchen nur noch die Kiste. Und ausgerechnet jetzt geht schief, was schiefgehen kann.
    – Aufwachen! Myrbäck brüllte in die Nacht und in die See. Du träumst! Du träumst immer nur, anders kenne ich dich gar nicht.
    Das Wasser um sie herum sah auf einmal zerklüftet aus. Er hörte, wie Wellen gegen die felsigen Landzungen klatschten, und drosselte das Tempo.
    Vor ihnen schälten sich die Umrisse eines steil ansteigenden Küstenstreifens aus der Dunkelheit. Holme und Strandklippen bildeten einen kleinen Hafen. Nirgends brannte ein Licht, aber über ihnen erkannte Myrbäck die runden Kuppeln kleinerer Bunkeranlagen wieder.
    –

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