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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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zuvor.
    – Das Warten hat sich gelohnt, sagte sie höhnisch, als Myrbäck zwischen den Bäumen hervortrat.
    Er sah sie schuldbewusst an.
    – Woher wissen die immer so genau, wo wir sind?, fragte er. Schleppen wir einen Sender mit uns herum?
    Sie beide sahen auf Holzapfel.
    Der blickte ungläubig zurück.
    – Redet keinen Unsinn, rief er und rappelte sich auf. Wo sollte der stecken? Schaut mich an. In meiner Unterhose? Im Arsch? Willst du mal nachschauen, Myrbäck? Wütend stand er auf und machte ein paar kurze prüfende Schritte auf seinem verwundeten Bein.
    – Auf dem Boot, schlug sie schlichtend vor. Sie haben unser Boot verwanzt.
    – Wenn es so ist, dann hilft es ihnen ab hier auch nicht weiter, meinte Holzapfel. Von nun an liegt der Vorteil auf unserer Seite.
    Wir machen keine Schnitzeljagd, wollte sie sagen, und dass, wer nur wollte, ihren Spuren auf den sandigen Wegen mühelos würde folgen können. Aber da war Jan schon wieder losgerannt. Myrbäck schob sie an.
    Eine Zeitlang folgten sie einem überwachsenen Gleisbett, bis sie über einen Steg von gespaltenen Baumstämmen eine Ebene aus Brachwiesen erreichten. Ein Tuch aus weißem Tau bedeckte die Gräser, und einzig das Geräusch ihrer Schritte im feuchten Gras begleitete sie. Sie fielen in einen gedankenleeren Trott, blieben nicht stehen und liefen in gleichmäßigen, ruhigen Schritten. Einmal strauchelte sie und konnte gerade noch einem toten Dachs ausweichen, der auf ihrem Weg lag, den Bauch in Blasen aufgequollen, die Pfoten steif gen Himmel gestreckt.
    Ein verfallener Schuppen war das erste Zeichen, dass sie sich den Militärbaracken näherten. Der Weg wurde breiter und führte sie zu einem Felsrücken, auf dessen kahlgeschlagener Fläche drei Altglascontainer standen. Beim Näherkommen war zu sehen, dass sie von Einschusslöchern aller Größen durchbohrt waren. Rostig leuchteten die Metallboxen im Morgenlicht auf. Auch ein Auto war als Zielscheibe benutzt worden. Von etwas Großem getroffen, war es den Hang hinabgeschleudert und lag jetzt auf dem Dach, ein metallenes Skelett.
    Überall hier hatte es gebrannt. Anämische Bäumchen waren im Gesteinsschutt nachgewachsen, struppiges Kraut und ein paar Blumen mit winzigen kornblumenblauen Blüten. Um sie herum surrten Insekten. Der Schweiß rann ihr über die Brust. Alles in dieser Landschaft schien ihr Unheil verkündend. Ich bleibe jetzt hier stehen, dachte sie, dann lege ich mich ins Gras und warte ergeben auf meine Jäger.
    – Weiter, rief Myrbäck. Er nahm sie bei der Hand.

A ngler? Beerensammler? Sassie Linné, das nasse Haar vor Augen, die Gesichtshaut blass vor Erschöpfung, ließ Myrbäck an Vampire denken. Er sah das rote Geäst im Weiß ihrer Augen, so dicht stand er vor ihr.
    – Niemals. Die fahren nicht im Mietwagen vor. Holzapfel beugte sich über die Frontscheibe des Wagens, an deren Innenseite ein Hertz-Schild klebte.
    Es war ein dunkelgrüner Kleinbus, gegen dessen Heck Myrbäck um ein Haar geprallt wäre. Der Fiat Ducato stand hinter einer engen Kurve, direkt vor einem Lagerplatz für Bauholz, den jemand vor Jahren am Wegesrand angelegt hatte. Die Schiebetüren und Fenster waren beschlagen vom Tau, die Motorhaube noch warm. Wer aber hatte ihn mitten ins Dickicht gefahren?
    – Vielleicht hat man ihn für uns hier abgestellt, schlug Sassie vor. Irgendjemand will uns helfen?
    – Der liebe Gott?, schlug Holzapfel vor. Sein nasses T-Shirt klebte am Rücken und hing tief über seiner von Gras und Erde schmutzstreifigen Pyjamahose.
    – Dann hätte er uns auch einen Schlüssel in die Hand gedrückt. Nein, vergessen wir den Wagen. Wir haben kein Werkzeug, wir haben keine Zeit.
    – Was also jetzt?, fragte sie. Was tun?
    – Durst hab’ ich, sagte Myrbäck. Ein Telefon könnte uns helfen. Und eine Pause wird uns auch guttun. Sehn wir uns mal um.
    Er wies auf das verlassene Kasernengelände. Dort standen die länglichen grüngestrichenen Wohnbaracken der Marinesoldaten, verwitterte Regimentshütten mit Schornsteinen aus brüchigen Ziegelsteinen. Sie säumten den Waldesrand und führten auf eine Reihe von Stallungen und Wirtschaftsgebäuden zu, aus deren Mitte ein Hochsilo ragte. Mit seinem Flachdach stand der riesige fensterlose Klotz aus schwarzgebeiztem Holz wie ein hässlicher Schuhkarton in der Landschaft. Er hatte wohl als Getreidelager für die südlichen Inselbauern gedient, dann aber als Hangar für Wasserflugzeuge und Amphibienpanzer herhalten müssen. Myrbäck las die längst

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