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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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stand leer, ihr wart soeben entflohen, gefeiert wurde trotzdem. Zwei deutsche Brüllaffen tobten durch euer Haus. Dann schmissen sie einen Wohnwagen um. Zerhackten eure Fahrräder. Als sie sich verzogen, bin ich ihnen gefolgt. Wenn ich mich nicht täusche, dann kriechen sie hier irgendwo durchs Unterholz. Sie mögen kernig und blond sein, aber vom Fährtenlesen verstehen sie nichts.
    Mit jedem seiner Sätze war Jukki lauter geworden, bemerkte Myrbäck, aber man sah ihm an, dass er bloß aus Gewohnheit schrie. Sein Herz blieb eiskalt dabei.
    Holzapfel hatte den Wortschwall des Finnen mit dem immergleichen Grienen verfolgt. In diesem Augenblick wurde Myrbäck klar, dass Jan für seine Gesichtsmuskeln nichts konnte. Sie führten ihr Eigenleben. Menschen gingen ganz unter schiedlich mit den Katastrophen um, die über sie herein brachen, das wusste er. Seine Frau zum Beispiel. Mitten im schlimmsten Streit lebten ihre Lachmuskeln auf, in Momenten schierer Verzweiflung schmunzelte sie. Erst hatte er dies für eine teuflische Gemütskrankheit Marias gehalten. Dabei war es bloß ein Muskelkrampf.
    Unterdessen hielt Jukki ihnen eine Strafpredikt, ohne Punkt, ohne Komma. Seine Worte zogen ungehört an Myrbäck vorbei, erst ihre plötzlich abfallende Lautstärke ließ ihn aufhorchen.
    – Eine letzte Chance sollt ihr bekommen. Nicht weil ich menschenlieb bin, nein. Sondern weil ich nicht mit drei Leichen vor Erkki antanzen will. Für die er sich nichts kaufen kann.
    – Das macht Sinn. Myrbäck war erfreut über den Zeitgewinn, den Jukki in Aussicht stellte. Noch beruhigender war, dass der Finne den Teppichschneider wieder in seiner Jacke verstaute.
    – Ich fange mal damit an, dass ich euch das Gefährt abnehme. Mit ausgestrecktem Arm wies er in Richtung des Kleinbusses.
    – Eine klitzekleine Geste der Wiedergutmachung, so sehe ich das.
    – Das ist nicht unser Auto. Sassies Stimme klang bockig.
    – Wie amüsant. Meiner ist es auch nicht. Ein Fiat! Ihr glaubt wohl, ich steige in jede Nuckelpinne?
    Wo schnappt er all die merkwürdigen Worte auf?, fragte sich Myrbäck, als er auf einmal einen bedrohlichen Wandel in Jukkis Miene bemerkte. Auf der Maske routinierten Pöbelns flackerte reine Mordlust auf. Der Finne hatte das Hohngrinsen Holzapfels bemerkt und schien sich eines Bösen zu besinnen. Er brüllte ihn an:
    – Auf die Knie mit dir!
    Als der angstgelähmte Holzapfel keine Folge leistete, schrie er, an Sassie gewandt:
    – Zieh dich aus!
    – Was? Wozu das? Sassie sah ihn entsetzt an.
    – Tu, was ich dir sage. Er legte sein Gewehr an.
    – Warum sollte ich? Du Schwein.
    – Was sagt man dazu?, sagte er jetzt mit überraschend sanfter Stimme. Gruselig, dachte Myrbäck, diese Stimmungswandel.
    Der Finne trat zwei Schritte vor und schoss auf das Hängeschloss des Gittertors. Von seinem Bügel befreit flog der Schlosskasten in einem Bogen davon und landete nicht weit von Holzapfels Füßen im Gras. Mit einem Tritt ließ Jukki die Torflügel aufspringen. In der nächsten Sekunde stand er vor Sassie und brüllte sie an:
    – Ausziehen!
    Sassie strich ihre schwere Golduhr vom Handgelenk und warf sie ihm ins Gesicht. Sie klatschte gegen seine Stirn, rutschte auf den Nasenrücken, fiel zu Boden. Jukkis Blouson platzte an einer kleinen Stelle über dem Herzen auf. Er drückte sich die Zeigefingerspitze gegen die Schläfe, als wollte er sich eine seiner schwarzen Locken aus der Stirn werfen, dann kippte er nach vorn, die Augen geschlossen. Erst jetzt meinte Myrbäck, das Knallen des Schusses zu hören, der eine Kugel in den Brustkorb des Finnen getrieben hatte. Sein Nachhall donnerte über die Wiesen der Kaserne, brach sich an den Wänden der Wohnbaracken und flatterte zu ihnen zurück.
    Auf der anderen Seite des Zauns tauchte einer der Blondschöpfe auf. Wie ein Waldgeist stand er da, und die Pistole in seiner Hand zielte noch immer auf jenen Fleck in der Luft, an dem Jukki gewütet hatte. Er war riesig, sicher zwei ganze Köpfe größer als die Frau mit dem Pagenkopf, die sich ein Stück hinter ihm hielt und Myrbäck erschrocken anblickte.
    – Was ist los? Holzapfel starrte offenen Mundes in die Runde. Er kniff sein eines Auge zu, um besser sehen zu können. Sein Lachen war ihm endlich vergangen.
    Sie hätten ihn auch erwischt, wenn er nicht gestolpert wäre. Der blonde Hüne warf sich über ihn, setzte sich rittlings auf seinen Brustkorb, drückte beide Arme mit den Knien herunter und schlug ihm mitten ins Gesicht.
    Ohne jeden

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