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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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wir sind ein tolles Team. Von seinen eigenen Wunden war nichts mehr zu sehen. Aber in seinem Kopf ging es zu, als hätte die Wucht des Aufschlags in einer Hamburger Baugrube erst jetzt sein Gehirn erreicht.
    – Wie fing das eigentlich an?, fragte er, als Holzapfel zurückkehrte.
    – Was? Holzapfels Stimme klang wieder alarmiert.
    – War es ungefähr so: Eines schönen Morgens kommt Stanczak in die Werkstatt, oder war es Raschke, und sagt, wir lassen uns jetzt mal vom Trottel Myrbäck ein Schatzkästchen besorgen, und dann schauen wir mal, was passiert. War es so?
    – Es war nicht Raschke. Es war Zbigniew.
    – Warum habt ihr mich nicht eingeweiht?
    – Stanczak meinte: Was Myrbäck nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
    – Schön zu hören. Woher kam der Auftrag?
    – Stanczak hat nie über seine Kunden gesprochen, das weißt du selbst. Er tauchte nur noch selten in der Werkstatt auf. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, deutete er an, dass es Anfragen für die Kiste gäbe.
    Stanczak besaß einen Ruf in der Branche. Beinah legendär war, was er in den frühen Neunzigern entlang neuer Schmuggelrouten angestellt hatte: Der Eiserne Vorhang war gefallen, die Grenzkontrollen lasch wie nie zuvor, und was in den Containern steckte, die vom Hamburger Hafen über Göteborg, Stockholm, Helsinki verschifft wurden, interessierte beim Danziger Zoll niemanden, weil das Hinwegsehen von Stanczaks Mittelmännern großzügig entlohnt wurde.
    Er hatte auf Myrbäck in letzter Zeit den Eindruck eines sorgenfreien Menschen gemacht, ein Mannes, der mit freudigen Schritten auf seine Pensionierung zusteuerte. Der, obwohl noch keine fünfzig, seine Arbeit nur mehr noch als läs sige Routine erledigte. Weil sein Wochenendhäuschen in dem Fischerdorf Sarbinowo längst abbezahlt war; weil für das tägliche Kleingeld die Ehefrau mit ihrem Postkartenverkauf sorgte. Als aktives Mitglied der »Perma-Corro GmbH« war Stanczak in den letzten Jahren kaum noch aufgetreten. Er stand hinter dem Vorhang, wenn Myrbäck und Holzapfel über die Bühne steppten. Er übte die geistige Schirmherrschaft über ihr Treiben aus. Bei ihrer letzten Begegnung hatte er ihm lachend von den neuen Nachbarn seiner Frau in Danzig erzählt: eine Galerie, in der eine junge Künstlerin es gewagt hatte, einen gekreuzigten Christus mit einem Penis von beträchtlichen Ausmaßen darzustellen. Laut Stanczak eine Anspielung auf den real existierenden polnischen Machismo. Myrbäck hatte pflichtschuldig gelacht, sich aber gedacht, dass Stanczak ja wohl einer seiner hervorragenden Vertreter war.
    Als Jan das Zimmer verließ, wandte er sich wieder der Kiste zu, die in der Kuhle mitten auf der Luftmatratze lag. Neugierde siegt, sagte er sich, schraubte mit bloßen Händen die Muttern auf, löste zwei Klammern und hob den Deckel an.
    Das Ding sieht nach nichts aus, unscheinbar, fand er, ganz und gar gewöhnlich. Wie ein Elektroverteiler im Motorraum eines Autos. Mit dem Zeigefinger strich er über das Metall. Es fühlte sich kühl an.
    Aus der Küche hörte er Holzapfels Stimme:
    – Öffne bloß den Kasten nicht. Sonst wissen sie, wo wir sind. Ich glaube, das Ding sendet Signale.
    Begleitet von einem Hüpfer seines Herzens schlug Myrbäck den Deckel zu.

D u willst doch nicht die Bullen rufen? Holzapfels Stimme überschlug sich.
    Myrbäck sah sich mit Fieberaugen um. Der Tag war halb sonnig gewesen, ein paar Wagemutige hatten ihr Handtuchlager in der Nicksta-Bucht und in Ufernähe aufgeschlagen, aber dann waren Wolken aufgezogen. Die Liegewiese leerte sich.
    – Komm nicht auf dumme Ideen jetzt. Ed wird auftauchen. Hundertpro. Holzapfel stand ganz nah vor Myrbäck. Er legte den Arm auf seine Schulter. Was willst du den Bullen sagen? Die helfen uns nicht. Das weißt du.
    Nein, Myrbäck wusste nicht, das sah ihm Sassie an. Er wusste gar nichts mehr, nur dass sein Sohn vor über drei Stunden die Wohnung verlassen und nicht wieder zurückgekehrt war.
    – Lasst uns weitersuchen, sagte sie. Sie hoffte, dass ihre Stimme weniger mutlos klang, als sie sich fühlte.
    Sie war aus der Schule gekommen und hatte sofort begriffen, dass Holzapfel eine übergezogen bekommen hatte. Die Schwellung auf seiner Schläfe sah frisch und rot aus. Myrbäck wirkte am Körper heil, aber er brachte keinen vollständigen Satz heraus. Zuerst hatten die beiden Malin geschickt, Ed auf dem Spielplatz einzusammeln. Dann waren sie alle zusammen ausgeschwärmt. Zu viert, jeder in eine plausible Richtung. Um sich am

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