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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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entlang und stieß an der Ecke zum Floravägen mit einem Mann zusammen. Weil es hier düster war, er angestrengt zu Boden geblickt hatte, um nicht ins Torkeln zu geraten, er im Ganzen schwer unter dem trübenden Einfluss der Tablette litt, kam ihm erst nach ein paar Metern die Idee, dass er diesen Mann doch kannte, sie einander oft begegnet waren. Wo das aber geschehen und wer diese Person war, fiel ihm beim Teufel nicht ein. Mit Drogen muss man sich vorsehen, sagte er sich, und dass er eine schlaflose Nacht vor sich haben würde. Voller Hirngespinste.

I ch liege flach. Eine Krankenschwester. Krank im Bett. Das nimmt einem niemand ab.
    Dabei ist es kein Wunder. Am Morgen der Junge, der sich mit einer Asthmaattacke in mein Zimmer schleppt, keuchend wie ein Greis auf dem Sterbebett, bis mir angst und bange wird und ich den Krankenwagen rufe.
    Dann der Direktor. Stolpert über die nagelneue Behindertenrampe am Kantineneingang. Stürzt wie abgeschossen in den Lattenzaun vor den Rosenbeeten. Bruch des Nasenbeins, Prellung des Nasenknorpels, Riss der Nasenscheidewand. Eine Blutlache, schlimmer als beim Schlachter. Zuerst hat sie auf Schlaganfall getippt, mit Ende fünfzig nichts, worüber sich zu wundern lohnt. Als er dann auf der Krankenpritsche erwacht, ist es doch nur der niedrige Blutdruck. Der geht bei mir hoch, runter, hoch, sagt er, wie ein Jo-Jo.
    Auf dem Heimweg ist mir schon fiebrig zumute gewesen. Trotzdem habe ich noch eingekauft. Bin dann, beladen mit Einkaufstaschen, in die Küche und habe meinen Bruder in flagranti überrascht.
    Jan war unrasiert, ungebürstet, ihm hingen zwei Kochwürste aus den Nasenlöchern. Er sah er aus wie ein Seelöwenbulle. Ed und Malin standen vor ihm und grinsten. Offen zu lachen trauten sie sich nicht. Ein Mann, der sich derart zum Clown machte, schien ihnen wohl zu wunderlich.
    Holzapfel zog die Würstchen aus der Nase und bettete sie in eine Ketchuppfütze auf seinem Teller.
    – Findest du dich witzig?, fragte sie ihn.
    – Na klar. Er grinste. Er biss in seine Wurst.
    Die Kinder zogen ab. Dicke Luft.
    Ich bin Kummer und windige Aktionen von dir gewohnt, Bruder, dachte sie. Ich fordere auch keinerlei Aufklärung darüber, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst. Aber ich verlange doch eine schlüssige Erklärung dafür, dass ich euch weiter beherbergen soll. Dich und deinen Kumpel, der nebenan im Bett liegt, den ganzen Tag schon, weil ihm ein Drogencocktail durchs Oberstübchen gefegt ist. Lächerlich!
    Sie hatte sich ihr häusliches Problem kleiner geredet, statt es in seiner Drastik zu sehen. Ein Haufen Leute hatte sich bei ihr eingerichtet wie Reisende in einem Nachtzug. Gemeinsam fuhren sie jetzt in einem schäbigen Abteil dritter Klasse durch die Dunkelheit, und keinem kam die Idee, dass es möglich war, unterwegs auch auszusteigen. Und statt meine Wut auszusprechen, fresse ich sie in mich hinein.
    Um einmal zu spüren, wie es sich anfühlte, sagte sie, gut unhörbar für Holzapfel:
    – Du kotzt mich an. Ihr alle kotzt mich an. Dann fing sie an, ihre Einkaufstüten zu leeren.
    Mit überraschender Energie hatten Knut und er gestern Abend den Kindern beigebracht, Rauchbomben zu basteln: Ihr wickelt sorgfältig zwei Lagen Alufolie um einen Tischtennisball, zündet die Kugel mit einem Feuerzeug auf hoher Flamme an, bis ihr ein Zischen hört. Jetzt kommt der Rauch. Besser noch: Ihr bohrt ein Loch in den Tischtennisball, füllt ihn mit Streichholzköpfen und steckt eine brennende Wunderkerze hinein. Jetzt qualmt’s wie in der Hölle.
    Im Dunkeln waren sie vor das Haus gegangen und hatten die Kugeln einem Praxistest unterzogen. Dicke Rauchschwaden waren zu Haus vierzehn gezogen und hatten dort das Treppenhaus mit ihrem Gestank eingenebelt. Bis ich angerannt kam und die restlichen Stinkbomben in Beschlag nahm. Heidi, die Spielverderberin. Die Spießerin.
    – Was essen wir heute Abend?, fragte Jan, während sie eine letzte Tragetasche auf die Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank wuchtete.
    – Kartoffeln.
    – Oh, lecker! Mal was Neues. Er schnitt eine angeekelte Grimasse.
    Sie warf die prallvolle Einkaufstasche nach dem Bruder. Aufgrund ihrer inkohärenten Füllung aus Salatköpfen, Tomatendosen und Molkereiwaren schoss sie wider alle Trägheitsgesetze der Himmelsmechanik in einer elliptischen Drehung am Ziel vorbei und prallte auf die Kante der Fensterbank. Das feuchte Bersten der Joghurtbecher war deutlich zu hören.
    Holzapfel lachte auf.
    – Verschwinde!, schrie sie ihn

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