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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Kinder, die ohne ihre Eltern hier leben, vom Sozialdienst abgeholt werden sollen. Solche Kinder gibt es, aber sie sind älter als ich, dachte sie. Sie sind von zuhause ausgerissen, und ihre Eltern wollten sie wieder zurück. So war das bei ihr und Lilja ja nicht.
    Die Sonne stand jetzt hoch über ihnen, und als sie an den Mauern der Øksnehallen entlanggingen, strömte warme Luft um ihre Bäuche. Lilja jammerte, weil sie so kurze Beine hatte und ihr die Füße heiß wurden. Sie machten kehrt. Für ihren Rückweg nahmen sie die Straße an den Gleisanlagen. Wenn die Fernzüge vorbeirasten, hielten sie sich die Ohren zu.
    Ihr Vater war nicht gekommen. Er kommt an einem anderen Tag, hatte Catrine gesagt, um Lilja zu beruhigen. Und endlich hatte Lilja aufgehört mit ihren Zuckungen.
    Über Nacht waren Gewitterwolken aufgezogen, ohne dass es donnerte. Catrine war schon am Vormittag von ihrer Arbeit aus der Bäckerei zurückgekehrt. Normalerweise bereiten die Backleute uns spät am Abend den Sauerteig vor, hatte sie erzählt, aber in dieser Nacht ist er schlecht geworden. Weil das Wetter umgeschlagen ist.
    Aufpassen! Ein Bauarbeiter, der vor dem Außenministerium auf einer Steinplatte hämmerte, rief ihnen zu. Verschwindet auf die andere Straßenseite! Zornig sah er sie unter blonden Brauen und dem Rand seiner Hornbrille hervor an.
    Als sie in die Prinsessegade bogen, wollte Lilja nicht länger ihre Hand halten. Sie trotteten über den Marktplatz zum Kinderhaus und noch ein ganzes Stück weiter, bis sie an Carls Bastion zum Ufer gelangten. Es war ihr verboten, mit Lilja ans Wasser zu gehen, weil sie nicht schwimmen konnte. Doch irgendjemand hatte ein Modellsegelboot mit drei Masten ins Wasser gelassen, und dann war es wohl davongesegelt. Man konnte sehen, dass es ein schönes Boot aus Holz war, keines aus Plastik. Es trieb mitten auf der Wasserfläche. Es war zu weit weg, um es mit einem Stock zu angeln, und der Wind wehte zu schwach, um es irgendwo ans Ufer zu treiben.
    Rund um den Flecken Sandstrand, auf dem sie standen, war das Ufer mit einem breiten Gürtel aus grünem Röhricht bewachsen, mit Schilf und kleinen, dicht belaubten Bäumen mit grauen Blättern. Auf der anderen Uferseite stieg eine dunkle Wolkenwand auf. Ihre Ränder spiegelten sich silbrig schwarz auf der Wasseroberfläche.
    Lilja und sie zogen ihre Schuhe aus. Sie band die beiden Paare an den Schnürsenkeln zusammen, das hatte ihre Mutter ihr beigebracht. Sie versuchten, Steine hinter das Modellsegelboot zu werfen, um es zu sich ans Ufer zu treiben, doch dafür war es zu weit entfernt. Lilja machte ihr alles nach. Es war gefährlich, neben ihrer Schwester zu stehen. Man wusste nie, in welche Richtung ihre Steine flogen.
    Als sie keine Steine mehr am Uferstreifen finden konnte, ging sie auf bloßen Füßen in das Schilf. Kriebelmücken schwärmten über ihrem Kopf. Die Luft war feucht und der Boden uneben und weich. An manchen Stellen gab er unter ihren Füßen nach. Plötzlich stand sie vor einem Bus. Es war keiner der gelben und weißen Busse, wie sie durch Kopenhagen fuhren. Dieser Bus war grün und hatte eine runde Form. Fast sah er aus wie die alten schwedischen Postbusse, die zwischen Ljusne und Sundsvall hin- und herfuhren. Er stand schon lange hier. Einige der Scheiben waren durch Holzplatten ersetzt worden. Die Reifen fehlten. Er ruhte auf grauen Steinblöcken, doch an seinem hinteren Ende war er bis zu den Radachsen in die Erde gesunken.
    Sie ging einmal um den Bus herum und drückte die vordere Tür auf. Hinter dem Fahrersitz hatte jemand einen Campingtisch an die Wand geschraubt. Auf ihm standen leere Weinflaschen mit Kerzenstummeln. Die meisten waren bis an den Flaschenhals heruntergebrannt. In der Mitte des Busses hing eine Hängematte quer über die Sitze gespannt. Sie versuchte hineinzuhüpfen, aber sie rutschte immer wieder ab. Die Matte hing zu hoch. Sie erschrak, als plötzlich dicke Regentropfen auf das Blechdach über ihr klopften.
    Nur wenige Leute kamen in diesen Teil Christianias. Die Touristen trauten sich nicht bis hierher, weil es so unbewohnt war. Nur zwei Hausboote lagen am Ufer der Fredriks Bastion fest, und auf dem Hang über dem Ufer stand eine verlassene Hütte aus Torf und Erde. Das einzige Haus hier gehörte Pyra miden-Pelle. Er war Schwede, und alle zogen ihn auf, weil er immer alles genau nahm. Manchmal, wenn er es nicht hören konnte, nannten sie ihn Pelle-Korrekt. Wer es schafft, alleine ein Holzhaus zu bauen, das wie

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