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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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und Gurkenscheiben belegtes Brot, das er lustlos aus seiner Zellophanbandage befreite.
    Sie setzten sich an den einzig freien Tisch. Wenn er sein Knie jetzt einen Zentimeter vorschöbe, würde er Sassie berühren. Ihr nacktes Knie. Er tat es. Sie zog ihr Bein nicht zurück. Angespornt von seinem Erfolg überlegte er kurz, ihrer Zunge dabei zuzusehen, wie sie am Eis leckte. Weil ihm dafür der Mut fehlte, blickte er auf eine Reihe von Bildschirmen, die an der Decke über ihrem Kopf hingen. Sie zeigten endlose Zahlenreihen an.
    Der Rauch von Holzapfels Zigarette stieg ihm in die Augen, und plötzlich bemerkte er, wie unbequem der Metallstuhl war, auf dem er saß. Er fühlte einen Anflug von Verlorenheit.
    – Was guckst du?, fragte Sassie. Sie kaute auf dem Holzstiel ihres Himbeereises.
    Er erschrak. Bevor er sich eine unverfängliche Antwort überlegen konnte, stand Holzapfel auf und sagte, dass er sein Glück jetzt mit den Pferden machen wolle.
    Myrbäck hielt nichts vom Glücksspiel. Er hatte noch nie bei einer Verlosung gewonnen, nicht einmal als Kind hatten die Lotterielose auf dem Hamburger Dom ihm mehr beschert als Plüschteddys, deren Nähte nach zweimaligem Drücken aufplatzten. Nein, er war kein Hans im Glück. Ihm fiel ein, was Per Ola Forss in Erfahrung gebracht hatte: Der Besitzer jenes metallic-schwarzen Dodge, den sie versenkt hatten, war Betrei ber mehrerer Spielhallen nördlich Stockholms. Die belehrenden Worte von Forss, Spielhallenbesitz gehe bekanntermaßen einher mit Prostitution und Waffenhandel und Schutzgelderpressung, waren überflüssig gewesen, fand Myrbäck. Interessanter war da schon das Gerücht, sein Besitzer habe ein Kopfgeld auf die Diebe seines Prachtstückes ausgesetzt. Myrbäck fragte sich, ob der Kerl sie wiedererkennen würde: mit ihren Mützen, in der Morgendämmerung, durch das Glas der Frontscheibe? Unwahrscheinlich.
    Bevor sie gingen, füllte Holzapfel einen Stapel Wettscheine aus. Soweit er wusste, hatte Holzapfel noch nie in seinem Leben eine Trabrennbahn besucht. An der Kasse deckte er sich zusätzlich mit Rubbellosen ein.
    – Wenn ich gewinne, sagte er beim Hinausgehen, gibt ’ s Urlaub. Und fragte dann:
    – Wann habt ihr mal so richtig tollen Urlaub gemacht?
    – Urlaub?, fragte Sassie zurück. Kenn ich nicht.
    – Weil du auch nie arbeitest, meinte Holzapfel. Ich ja auch nicht. Dann stehen einem auch keine Ferien zu.
    Es war später Nachmittag, als sie am Breviksbad ankamen. Zwischen gefällig arrangierten Baumgruppen lag die Badeanstalt, eine weitläufige Anlage, beschattet von alten, hochkronigen Bäumen. Am buschigen Ufer sah Myrbäck ein paar Jugendliche im Wasser stehen. Bunte Badehosen hingen ihnen tief über die Knie.
    Sie stellten ihren Wagen vor einem Jägerzaun ab. Es war der nachtblaue Fiesta, den Holzapfel in Söder von der Straße weggestohlen hatte. Sein Kupplungsschaden nervte, und in scharfen Kurven war das metallische Knirschen verschlissener Radscheiben zu hören. Manchmal zogen Benzindämpfe mit der Warmluft aus der Lüftung ins Wageninnere. Das Gute war: Nicht einmal der Besitzer der Schrottkiste würde Interesse an ihrem Wiederauftauchen haben.
    In Sichtweite des Eingangs nahmen sie auf einer Steinbank Platz und warteten. Nach einigen Minuten rollte ein bordeauxroter Alfa Romeo mit offenem Verdeck auf den Parkplatz und besetzte eine Parkbucht direkt vor ihnen. Zwei Frauen stiegen aus. Beide trugen Korbtaschen, ließen ihr gelocktes Haar flattern und gingen in Badelatschen. Das Trio auf der Sitzbank würdigten sie keines Blickes.
    Myrbäck sah Sassie an. Sie nickte, erhob sich und schulterte ihren Badebeutel. Sie folgte den beiden Frauen.
    Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte diese Sache erledigen können. Aber ein Mann hatte in den Umkleidekabinen der Frauen nichts verloren.

Christiania, September 1985
    Wenn man viel raucht, kommt man auf dreißig Gramm am Tag. Das lässt sich an guten Tagen schaffen, locker. Ich rauche jeden Tag fünf Chillums oder mehr.
    Nur mein Vater sagt solche Sachen, dachte sie. Wenn er seine Haschrollen dreht mit seinen ekligen gelben Fingern. Oder mit seinem stinkenden Zigarettenatem Witze macht, und alle anderen am Tisch lachen mit. Bloß weil sie mal für umsonst ziehen wollen. Er und diese Typen hängen den ganzen Tag lang im Woodstock herum, und am Abend auch noch, und dann werden sie irgendwann rausgeschmissen. Alle Leute sagen: Wenn du hier einmal tief durchatmest, fängst du schon an zu halluzinieren.
    Seit einer

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