Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Lass das!, rief Myrbäck.
Sie sah ihn herausfordernd an. Sie hob die Metallstange, noch höher, weit über ihren Kopf und ließ sie auf den Boden krachen.
In Myrbäcks Ohren schrillte es, seine Rückenmuskeln verkrampften.
– Hast du gesehen?, fragte sie.
– Was soll das?, rief er, auch dies viel zu laut. Sie würden jemanden alarmieren mit ihrem Gebrüll. Er spürte ein Druckgefühl, dicht unter der Schädeldecke.
Sie lächelte ihn flüchtig an und trat vor einen roten Volvo. Sie holte aus und schlug das Brecheisen gegen die Frontscheibe. Ein dumpfes Knirschen, eine milchige Beule im Glas.
Sie tat ein paar Schritte zum nächsten Wagen, hieb dort gegen die Leuchten, tänzelte durch die umherspritzenden Plastikscherben und holte wieder aus. Sie war mit einem heiligen Eifer dabei. Beim nächsten Wagen sprang die Vor scheibe. Die Glassplitter prallten wie Hagel auf den Boden. Das Brecheisen steckte in der Scheibe fest. Sie ruckelte wild, um es herauszuziehen, und blieb mit dem T-Shirt am Rand des Kofferraums hängen. Das T-Shirt riss.
Am Ende der Parkreihe tauchte ein Mann auf. Die Hälfte seines Gesichts leuchtete bläulich. Es war das Mobiltelefon, das er gegen sein Ohr hielt.
Der Parkhausheini, meinte Holzapfel. Jan sah verwirrt aus. Er hatte schon nicht begriffen, was Sassie da trieb, nun war auch noch dieser Kerl aufgetaucht. Er trug ein rot-schwarz kariertes Flanellhemd, eine Uniformhose und Arbeitsstiefel, und er stand zu weit weg, als dass sie hätten hören können, was er in sein Telefon sprach. Sassie hatte sich schon über das nächste Auto hergemacht. Sie schlug auf die Motorhaube ein. Es knallte und krachte. All ihre Bewegungen und selbst ihr Gesicht kamen Myrbäck fremd vor.
Der Mann setzte sich zögernd in Bewegung. Er war groß, sicher einen halben Kopf größer als Sassie, mit kurzem, schwarzem Haar, das in der Mitte gescheitelt war. Als er näher kam, sah Myrbäck im diffusen Neonlicht der Garage, wie es in ihm kämpfte. Es war seine Aufgabe, diese Verrückten aus seinem Parkhaus zu verjagen. Aber er hatte Angst. Ein schmächtiges Wesen mit wedelndem Zopf und wippendem Brecheisen war ihm wohl noch nicht untergekommen.
Endlich bemerkte ihn auch Sassie. Sie hatte damit zu tun gehabt, auf Bleche und Scheiben einzuschlagen und dabei das Gleichgewicht zu halten. Statt mit sofortiger Flucht zu reagieren, ging sie dem Mann entgegen. Entschlossen, ohne die geringste Absicht auszuweichen. Bevor er ein Wort zu ihr sagen konnte, schlug sie ihm auf den Oberschenkel. Er schrie auf, knickte um und prallte mit dem Kopf gegen das Chassis eines Wagens. Das Telefon flog aus seiner Hand und schlitterte über den polierten Betonboden. Sassie blieb kurz über ihm stehen, hob drohend das Eisen und ließ es mit aller Wucht niederfahren. Ihre Füße hoben beinah vom Boden ab. Das Brecheisen schlug Funken schlagend neben dem Kopf des Mannes auf, federte einmal zurück und kam auf seiner Brust zum Liegen. Sie nahm es auf und hob es wieder über ihren Kopf.
Es war ein Moment, in dem Myrbäck die Katastrophe einbrechen sah. Wenn die Welt zu Boden geht. Mit halboffenem Mund, mit aufgerissenen Augen sah der Mann Sassie an. Er riss die Hand schützend vors Gesicht.
– Sprechen, schrie er. Rede! Jetzt begriff er, dass sie vor ein paar Minuten über sich gesprochen hatte. Nicht über ihn.
Sassie drehte sich, ließ das Brecheisen beinah sanft aus den Händen gleiten. Dann rannte sie ihnen so schnell entgegen, dass sie gegen seinen Rücken prallte und ihn fast umgeworfen hätte. Zu dritt türmten sie durch eine kleine Metalltür auf der Rückseite des Parkhauses. Als er draußen ihre Hand nahm, schaffte er es nicht, ihre verkrampfte Faust zu öffnen.
– Das wird schon wieder, krächzte Holzapfel. Der Typ sah zäh aus. Ich glaub nicht, dass du ihn schlimm erwischt hast.
Myrbäck war übel. Als er es endlich schaffte, Sassie anzublicken, war er erleichtert, Tränen in ihren Augen zu sehen.
Mit der letzten Fähre des Tages kehrten sie nach Lökskär zurück. Während der Überfahrt saßen sie auf Deck und aßen zerbröckelte Schokoladenkekse, die Holzapfel den ganzen Tag mit sich herumgeschleppt hatte. Sassie rauchte eine nach der anderen und sah zu Boden.
Es war weit nach Mitternacht, als sie vor ihrem hell erleuchteten Haus vorfuhren. In jedem der Zimmer brannte Licht, die Eingangstüre stand weit offen.
– Was ist in Heidi gefahren?, fragte Myrbäck.
Unschlüssig blieben sie vor ihrem Auto stehen und bestaunten
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