Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
Waffe ins Gebüsch geworfen.«
»Und wenn wir Pech haben, liegt sie auf dem Meeresgrund.« Gösta trat dauernd von einem Fuß auf den anderen.
»Durchaus möglich, aber nun wagen wir wenigstens einen Versuch.« Patrik wandte sich an Mårten. »Sie sollten von der Insel verschwinden. Es ist, wie gesagt, keine gute Idee, hierzubleiben. Vor allem nicht allein heute Nacht.«
»Ich kann im Obergeschoss arbeiten und werde Ihnen nicht im Weg sein«, sagte er mit monotoner Stimme.
Patrik betrachtete ihn eine Weile, dann ließ er die Sache auf sich beruhen. Wenn Mårten nicht wollte, konnte Patrik ihn nicht zwingen, die Insel zu verlassen. Er ging zu Erica, die bereits in der Tür stand.
»Wir sehen uns zu Hause.« Er küsste sie auf die Wange.
»Das machen wir. Fahren wir mit deinem Boot zurück, Anna?« Wie ein Hirtenhund trieb sie die kleine Gruppe zusammen, die sie mitnehmen sollte.
Patrik musste unwillkürlich lächeln. Er winkte ihnen zum Abschied. Eine seltsame Truppe von Polizisten. Es hätte an ein Wunder gegrenzt, wenn sie irgendetwas gefunden hätten.
Langsam wurde die Tür geöffnet. John nahm die Lesebrille ab und legte sie auf das Buch.
»Was liest du?« Liv setzte sich auf seine Bettkante.
Er hielt das Buch wieder hoch, damit sie das Cover sehen konnte. » Race, evolution and behaviour von Philippe Rushton.«
»Das ist gut. Ich habe es vor ein paar Jahren gelesen.«
Er nahm ihre Hand und lächelte sie an. »Schade, dass der Urlaub bald zu Ende ist.«
»Stimmt, sofern man diese Woche als Urlaub bezeichnen kann. Wie viele Stunden pro Tag haben wir gearbeitet?«
»Das ist wahr.« Er runzelte die Stirn.
»Denkst du schon wieder an den Artikel im Bohuslänigen ?«
»Du hast recht, alles halb so schlimm. In einer Woche ist die Sache vergessen.«
»Ist es wegen Gimle?«
John sah sie ernst an. Eigentlich wusste sie, dass sie nicht darüber sprechen durften. Nur ein ganz enger Kreis war über das Projekt informiert, und er bereute zutiefst, dass er den Zettel mit seinen Notizen nicht sofort verbrannt hatte. Ein unverzeihlicher Fehler, auch wenn John sich nicht ganz sicher war, ob diese Schriftstellerin den Zettel eingesteckt hatte. Möglicherweise war er auch weggeweht worden oder lag irgendwo im Haus, aber im Grunde wusste er, dass die Erklärung nicht ganz so einfach war. Der Zettel hatte auf dem Papierstapel gelegen, als Erica Falck kam, und als er eine Weile später danach suchte, war er nicht mehr da gewesen.
»Es wird klappen.« Liv streichelte seine Wange. »Ich glaube daran. Wir haben viel erreicht, aber wenn wir keine schärferen Maßnahmen ergreifen, besteht die Gefahr, dass wir nicht weiterkommen. Wir brauchen einen größeren Handlungsspielraum. Das ist für alle das Beste.«
»Ich liebe dich.« Er brauchte nicht zu lügen. Niemand verstand ihn so wie Liv. Sie hatten Ideen und Erlebnisse, Erfolge und Misserfolge miteinander geteilt, und sie war die Einzige, der er sich anvertraut hatte und die wusste, was seiner Familie zugestoßen war. Es kannten zwar viele seine Geschichte, über die jahrelang getratscht worden war, aber außer Liv hatte er noch nie jemandem erzählt, was für Gedanken er in dieser Zeit mit sich herumgeschleppt hatte.
»Kann ich heute Nacht hier schlafen?«, fragte Liv plötzlich.
Sie sah ihn unsicher an, und John war hin- und hergerissen. Tief im Innern wollte er nichts lieber, als ihren warmen Körper ganz nah zu spüren und mit ihr im Arm und ihrem Duft in der Nase einzuschlafen. Andererseits wusste er, dass das nicht ging. Die Nähe löste so viele Erwartungen aus und schwemmte alle unerfüllten Versprechen und alle Enttäuschungen an die Oberfläche.
»Wir sollten es vielleicht noch mal versuchen?« Sie streichelte seinen Handrücken. »Es ist jetzt eine Weile her und hat … sich vielleicht verändert.«
Er zog seine Hand zurück und drehte sich hastig weg. Die Erinnerung an sein Unvermögen erstickte ihn fast. Er hatte jetzt nicht die Kraft, das Ganze noch einmal durchzukauen. Arztbesuche, kleine blaue Pillen, merkwürdige Pumpen, Livs Blick, wenn er wieder nicht konnte. Nein, es ging nicht.
»Bitte geh.« Er hielt sich das Buch wie einen Schild vors Gesicht.
Blind starrte er die Seiten an, während er sie durch den Raum gehen und langsam die Tür schließen hörte. Seine Lesebrille lag noch auf dem Nachttisch.
Als Patrik nach Hause kam, war es schon spät. Erica saß allein im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Nachdem die Kinder eingeschlafen waren, hatte
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