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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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hatte keine Kraft mehr zu kämpfen. Es hätte auch nichts mehr gebracht. Der Traum hatte von Anfang an nur in seinem Kopf existiert. Die größten Vorwürfe machte er sich selbst, weil er das nicht begriffen hatte.

Carinhall 1949
    D agmar weinte nicht nur vor Traurigkeit, sondern auch vor Glück. Endlich war sie bei Hermann angekommen. Eine Zeitlang hatte sie daran gezweifelt. Mit dem Geld von Laura war sie nicht weit gekommen. Zu viel davon war für den Durst draufgegangen, der sie überkam, und an manche Tage konnte sie sich kaum erinnern. Doch jedes Mal war sie wieder aufgestanden. Ihr Hermann wartete ja auf sie.
    Sie wusste, dass er nicht in Carinhall begraben war, weil ihr das irgendein unfreundlicher Mensch auf einer ihrer zahlreichen Zugfahrten voller Schadenfreude verraten hatte. Es war jedoch vollkommen unwichtig, wo sich sein Leichnam befand. Sie hatte die Artikel gelesen und die Bilder gesehen. Hier war er zu Hause gewesen. Hier war seine Seele.
    Carin Göring war auch hier. Bis über seinen Tod hinaus hatte die falsche Schlange Hermann im Griff gehabt. Dagmar ballte die Fäuste in den Manteltaschen und blickte heftig atmend über die Felder. Hier war sein Reich gewesen, doch nun war alles kaputt. Wieder kamen ihr die Tränen. Wie hatte es so weit kommen können? Das Anwesen war nur noch eine Ruine, und der Garten, der früher wunderschön gewesen sein musste, war verwildert und von Gestrüpp überwuchert. Der dichte Wald, der das Grundstück umgab, kam immer näher.
    Sie hatte einen stundenlangen Fußmarsch hinter sich. In Berlin hatte sie ein Autofahrer mitgenommen, das letzte Stück in das Waldgebiet nördlich der Stadt hatte sie zu Fuß zurückgelegt. Es war nicht leicht gewesen, jemanden zum Anhalten zu bewegen. Die Leute betrachteten ihre heruntergekommene Erscheinung misstrauisch, und sie sprach kein Wort Deutsch, doch nachdem sie immer wieder »Carinhall« gesagt hatte, erbarmte sich schließlich ein älterer Herr und nahm sie mit. An einer Abzweigung machte er ihr in Zeichensprache verständlich, dass er in die eine Richtung und sie in die andere musste. Sie stieg aus. Auf den letzten Kilometern schmerzten ihre Füße immer mehr, aber sie gab nicht auf. Sie wollte nur noch ihrem Hermann nahe sein.
    Suchend wanderte sie zwischen den Ruinen umher. Die beiden Wächterhäuschen an der Einfahrt bezeugten, wie großartig die Gebäude einst gewesen waren. Anhand von Mauerresten und Ziersteinen konnte sich Dagmar die einstige Pracht mühelos ausmalen. Wenn Carin nicht gewesen wäre, hätte er das Anwesen nach ihr benannt.
    Von Hass und Trauer überwältigt, fiel sie schluchzend auf die Knie. Sie erinnerte sich an die laue Sommernacht, in der sie Hermanns Atem auf der Haut gespürt und er mit seinen Küssen ihren ganzen Körper bedeckt hatte. In dieser Nacht hatte sie alles bekommen und alles verloren. Hermanns Leben wäre so viel glücklicher verlaufen, wenn er sich für sie entschieden hätte. Sie hätte sich um ihn gekümmert und nicht wie Carin zugelassen, dass er sich in das menschliche Wrack verwandelte, das sie im Krankenhaus gesehen hatte. Sie hätte Kraft genug für sie beide gehabt.
    Dagmar hob eine Handvoll Erde auf und ließ sie durch die Finger rieseln. Die Sonne brannte ihr in den Nacken, und in der Ferne heulten streunende Hunde. Ein Stück entfernt lag eine zerbrochene Statue. Die Nase und ein Arm fehlten, und die steinernen Augen blickten blind in den Himmel. Auf einmal spürte sie ihre Müdigkeit. Sie war erhitzt und wollte sich im Schatten ausruhen. Die Reise war weit und die Sehnsucht heftig gewesen, und nun musste sie sich hinlegen und für einen Moment die Augen schließen. Sie sah sich nach einer schattigen Stelle um. Neben einer Treppe, die nirgendwohin führte, lag ein dicker umgestürzter Pfeiler. Er spendete Schatten.
    Da sie zu müde war, um wieder aufzustehen, kroch sie über den unebenen Boden zu der Treppe, rollte sich erleichtert in dem schmalen Zwischenraum zusammen und schloss die Augen. Seit jener Juninacht war sie unterwegs zu ihm. Zu ihrem Hermann. Nun brauchte sie Ruhe.

D ie Pressekonferenz war seit ein paar Stunden beendet, und sie hatten sich in der Küche versammelt. Ernst, der während der Veranstaltung brav in Mellbergs Zimmer gewartet hatte, durfte nun wieder auf seinem Stammplatz zu Füßen seines Herrchens liegen.
    »Ist doch prima gelaufen.« Mellberg lächelte zufrieden. »Willst du nicht endlich nach Hause gehen und dich ausruhen, Paula?«, brüllte er so

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