Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
merkwürdig.«
»Ja, aber Ebba hat immerhin nette Eltern.«
»Sie haben also einen freundlichen Eindruck gemacht?«
»Ich glaube, Ebba hatte es gut bei ihnen. Sie scheint ein positives Verhältnis zu ihren Geschwistern gehabt zu haben. Die Gegend ist auch hübsch. Lauter alte Häuser mit Rosenbüschen drum herum.«
»Klingt tatsächlich nach einer schönen Kindheit.«
»Wir haben allerdings keinen Hinweis auf den Absender der Karten erhalten.«
»Ach, sind sie denn nicht aufbewahrt worden?«
»Nein, sie haben alle weggeworfen. Es waren aber nur Geburtstagsgrüße gewesen, nichts Aggressives wie die letzte Karte. Außerdem waren sie offenbar in Göteborg abgestempelt worden.«
»Merkwürdig.« Gösta betrachtete wieder seine Daumen.
»Noch merkwürdiger finde ich, dass jemand Ebba bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag jeden Monat Geld überwiesen hat.«
»Was? Anonym?«
»Genau. Falls wir ermitteln können, woher das Geld kam, finden wir vielleicht eine Spur. Das hoffe ich jedenfalls. Es ist schließlich nicht abwegig, dass es sich um dieselbe Person handelt, die Ebba die Karten geschickt hat. Jetzt muss ich gehen.« Patrik stand auf. »War noch was?«
Eine Weile war es still. Dann räusperte sich Gösta und sah Patrik an.
»Nein, sonst war nichts. Gar nichts.«
»Na dann.« Patrik öffnete die Tür und war gerade in den Flur gegangen, als ihn Gösta rief.
»Patrik.«
»Was ist denn? Die Pressekonferenz fängt gleich an.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
»Ach, nichts. Vergiss es«, sagte Gösta.
»Okay.«
Mit dem etwas unguten Gefühl, dass er vielleicht hätte versuchen sollen, aus Gösta herauszubekommen, was er sagen wollte, ging Patrik durch den Korridor.
Als er den Versammlungsraum betrat, hatte er alles andere schnell vergessen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Mellberg stand schon vorne und grinste. Zumindest einer war bereit, sich der Presse zu stellen.
Mit weichen Knien legte Josef auf. Langsam ließ er sich an der Wand hinunterrutschen. Er starrte die geblümte Flurtapete an, die dort war, seit sie das Haus gekauft hatten. Rebecka hatte sich lange eine andere gewünscht, aber er konnte nie verstehen, warum man Geld für eine neue Tapete ausgeben sollte, wenn die alte noch gut war. Dinge, die funktionierten, ersetzte man nicht. Man musste dankbar sein, dass man ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen auf dem Tisch hatte. Außerdem gab es im Leben wichtigere Dinge als Tapeten.
Nun hatte er das Wichtigste überhaupt verloren. Zu seinem Erstaunen konnte Josef nicht aufhören, die grässliche Tapete anzustarren. Er fragte sich, ob er nicht doch besser auf Rebecka gehört und einer neuen Tapete zugestimmt hätte. Hätte er generell mehr auf sie hören sollen?
Er schien sich plötzlich von außen zu betrachten. Ein kleiner anmaßender Mann. Ein Mann, der geglaubt hatte, Träume würden in Erfüllung gehen und er wäre zu einer großen Tat bestimmt. Stattdessen saß er hier, als naiver Tor entlarvt, und niemand außer ihm selbst war schuld daran. Seit die Erniedrigung sein Herz verhärtet hatte und er von der Finsternis umgeben war, hatte er sich eingeredet, er würde eines Tages eine Wiedergutmachung bekommen. Das war natürlich nicht so. Das Böse war mächtiger. Es war Teil des Lebens seiner Eltern gewesen, und auch wenn die nie darüber gesprochen hatten, wusste er, dass es sie zu gottlosen Handlungen gezwungen hatte. Auch er war vom Bösen infiziert gewesen, aber in seinem Größenwahn hatte er geglaubt, Gott hätte ihm die Chance gegeben, sich reinzuwaschen.
Josef schlug mit dem Kopf an die Wand. Zuerst leicht, dann immer fester. Es war ein angenehmes Gefühl. Auf einmal erinnerte er sich, wie er hin und wieder eine Möglichkeit gefunden hatte, den Schmerz zu umgehen. Weder für seine Eltern noch für ihn war es ein Trost gewesen, das Leiden mit anderen zu teilen. Das machte die Scham nur größer. Dabei war er sogar so dumm gewesen, zu glauben, dass er auch sie loswerden konnte, wenn er genug Buße tat.
Er fragte sich, was Rebecka und die Kinder sagen würden, wenn sie es wüssten. Falls alles ans Licht kam. Leon wollte, dass sie sich alle trafen und das Leid zum Leben erweckten, das sie besser vergessen hätten. Als er gestern Abend angerufen hatte, war Josef vor Schreck wie gelähmt gewesen. Nun würde die Drohung wahr werden, und er konnte nichts dagegen tun. Heute spielte das keine Rolle mehr. Es war ohnehin alles zu spät. Er war genauso machtlos wie damals und
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