Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
laut, dass Patrik auf seinem Stuhl einen Satz machte.
Paula verdrehte die Augen. »Vielen Dank, aber ich entscheide selbst, wann ich Ruhe brauche.«
»Hier herumzurennen, obwohl du freihast, von der Autofahrt nach Göteborg und zurück ganz zu schweigen. Denk an meine Worte, falls etwas schiefgeht …«
»Ich glaube, wir haben alles unter Kontrolle.« Patrik bemühte sich, den drohenden Streit zu verhindern. »Für die Jungs wird es langsam brenzlig.«
Eigentlich war es absurd, die Männer über fünfzig als Jungen zu bezeichnen, aber wenn er an die fünf dachte, hatte er immer das Foto vor Augen, auf dem sie in ihren Klamotten aus den Siebzigern so wachsam in die Kamera blickten.
»In der Tat. Vor allem für diesen John Holm.« Mellberg kraulte Ernst hinter den Ohren.
»Patrik?« Annika warf einen Blick in die Küche und winkte ihn zu sich heran. Im Flur reichte sie ihm das schnurlose Telefon. »Torbjörn ist dran. Sie scheinen etwas entdeckt zu haben.«
Patriks Puls stieg. Er ging mit dem Telefon in sein Zimmer und machte die Tür zu. Gut und gerne eine Viertelstunde hörte er Torbjörn zu und stellte nur hin und wieder eine Frage. Danach eilte er zurück in die Küche, wo nun außer Paula, Mellberg und Gösta auch Annika saß. Obwohl es schon spät war, machte niemand Anstalten, nach Hause zu gehen.
»Was hat er gesagt?«, fragte Annika.
»Ganz ruhig. Ich nehme mir erst mal einen Kaffee.« Übertrieben langsam bewegte sich Patrik auf die Kaffeemaschine zu und wollte gerade nach der Kanne greifen, als Annika aufsprang, ihm blitzartig zuvorkam und eine Tasse so vollschenkte, dass der Kaffee überschwappte.
»Bitte sehr! Jetzt setz dich hin und erzähl, was Torbjörn gesagt hat.«
Grinsend ließ sich Patrik nieder. Dann räusperte er sich.
»Torbjörn hat auf der Unterseite der Briefmarke, die auf der letzten Postkarte von ›G‹ klebte, einen Fingerabdruck gefunden. Das gibt uns die Möglichkeit, den Abdruck mit einem eventuellen Verdächtigen abzugleichen.«
»Super.« Paula legte ihre geschwollenen Füße auf einen Stuhl. »Aber da du aussiehst wie eine Katze, die einen Kanarienvogel gefressen hat, musst du wohl noch was in petto haben.«
»Ganz richtig.« Patrik trank einen Schluck von dem kochend heißen Kaffee. »Es geht um die Kugel.«
»Um welche?« Gösta beugte sich vor.
»Das ist es ja. Die Kugel, die hinter der Fußleiste steckte, und die beiden Geschosse, die nach dem Anschlag auf Ebba vorschriftswidrig aus der Küchenwand entfernt wurden …«
»Ist ja gut.« Mellberg winkte ab. »Ich habe es begriffen.«
»Sie wurden vermutlich mit derselben Waffe abgefeuert.«
Vier Augenpaare starrten ihn an. Patrik nickte.
»Es klingt unglaublich, aber es ist so. Als 1974 eine unbekannte Anzahl von Mitgliedern der Familie Elvander zu Tode kam, wurde höchstwahrscheinlich dieselbe Waffe verwendet, mit der gestern auf Ebba geschossen wurde.«
»Kann es nach so vielen Jahren wirklich derselbe Täter gewesen sein?« Paula schüttelte den Kopf. »Das erscheint mir vollkommen absurd.«
»Ich war die ganze Zeit davon überzeugt, dass die Mordanschläge auf Ebba und ihren Mann etwas mit dem Verschwinden der Familie zu tun haben müssen. Nun haben wir den Beweis.«
Patrik breitete die Arme aus. In seinem Kopf hallten die Fragen wider, die ihm auf der Pressekonferenz gestellt worden waren. Anstelle von konkreten Antworten hatte er nur seine Vermutungen äußern können. Erst jetzt hatten sie einen Beweis in der Hand, der den Ermittlungen Gewicht verlieh und seinen anfänglichen Verdacht bestätigte.
»Anhand des Rillenmusters konnte der Typ vom SKL auch erkennen, um welchen Waffentyp es sich handelt«, fügte er hinzu. »Daher müssen wir überprüfen, ob in dieser Gegend jemand einen 38er Revolver von Smith & Wesson besitzt oder besaß.«
»Wenn man es mal von der positiven Seite betrachtet, liegt die Waffe, mit der Familie Elvander ermordet wurde, wenigstens nicht auf dem Meeresgrund«, sagte Mellberg.
»Jedenfalls nicht, bis damit gestern auf Ebba geschossen wurde, aber anschließend könnte sie durchaus dort gelandet sein«, stellte Patrik fest.
»Das glaube ich nicht«, sagte Paula. »Wenn jemand die Waffe so lange aufbewahrt hat, kann ich mir kaum vorstellen, dass er sie jetzt wegwirft.«
»Da könntest du recht haben. Vielleicht betrachtet die Person die Waffe sogar als Trophäe und behält sie zur Erinnerung. Wie auch immer, die neuen Erkenntnisse zeigen, dass wir uns noch stärker auf
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