Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
jemand sieht dich mit ihm zusammen und macht ein Foto von euch. Was, glaubst du, passiert, wenn das in der Zeitung ist? Stell dir doch mal vor, was deine Anhänger dazu sagen würden. Es rückte dich in ein unheimlich schlechtes Licht. Vielleicht müsstest du sogar zurücktreten. Das darf auf keinen Fall passieren. Wir sind doch so nah dran.«
John blickte auf den Hafen hinaus und wich Livs Blick aus. Sie hatte keine Ahnung. Wie sollte er ihr von der Finsternis, der Kälte und der Angst erzählen, die vorübergehend alle Rassengrenzen verwischt hatten? Damals war es nur ums Überleben gegangen, er und Josef waren auf Gedeih und Verderb für immer zusammengeschweißt. Das würde er Liv nie begreiflich machen können.
»Ich muss hin.« Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass die Diskussion damit für ihn beendet war. Liv war klug genug, ihm nicht zu widersprechen, murmelte aber leise weiter. Lächelnd betrachtete John seine Frau. Der Ausdruck ihres schönen Gesichts verriet einen eisernen Willen. Er liebte sie, und sie hatten viel zusammen erlebt, aber die Dunkelheit konnte er nur mit denen teilen, die dabei gewesen waren.
Zum ersten Mal seit Jahren würde man sich wieder treffen. Zum letzten Mal. Die Aufgabe, die ihm bevorstand, war zu wichtig. Er musste einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Die Ereignisse von 1974 waren zufällig ans Licht gekommen, würden aber genauso schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Sofern man sich einig war. Alte Geheimnisse blieben besser dort verborgen, wo sie ihren Ursprung hatten.
Nur Sebastian machte ihm Sorgen. Er hatte seine bevorzugte Position schon damals genossen und konnte Probleme verursachen. Wenn man ihn nicht mit Argumenten überzeugen konnte, gab es andere Mittel und Wege.
Patrik holte tief Luft. Annika hatte alle Hände voll mit der bevorstehenden Pressekonferenz zu tun. Sogar aus Göteborg waren Journalisten gekommen. Da einige von ihnen auch für die überregionalen Blätter schrieben, würde morgen jeder Zeitungsriese über ihren Fall berichten. Er wusste aus Erfahrung, dass von nun an ein richtiger Zirkus um ihre Ermittlungen gemacht würde. Mitten in der Manege stand Mellberg und gab den Zirkusdirektor. Auch das erlebte Patrik nicht zum ersten Mal. Mellberg war ganz außer sich gewesen vor Freude, als er erfuhr, dass sie auf die Schnelle eine Pressekonferenz veranstalten mussten. Höchstwahrscheinlich hatte er sich in der Toilette eingeschlossen und kämmte sich kunstvoll die letzten Haare über den kahlen Schädel.
Patrik selbst war so nervös wie vor jeder Pressekonferenz. Er hatte nicht nur die Aufgabe, vom Ermittlungsstand zu berichten, ohne zu viel zu verraten, sondern musste auch die Schäden begrenzen, die Mellberg anrichtete. Andererseits war er dankbar, dass die Bombe nicht schon vor ein paar Tagen geplatzt war. Normalerweise verbreitete sich alles, was im Ort passierte, in Windeseile, und die Ereignisse auf Valö mussten sich mittlerweile bis zum letzten Einwohner von Fjällbacka herumgesprochen haben. Es war nur Glück, dass bis jetzt niemand der Presse einen Tipp gegeben hatte. Nun hatte sich das Blatt gewendet, und es gab keine Möglichkeit mehr, die Medien zu stoppen.
Ein behutsames Klopfen riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Gösta trat ein und setzte sich ungefragt auf den Besucherstuhl vor Patriks Schreibtisch.
»Tja, die Hyänen haben sich versammelt.« Gösta starrte auf seine Hände und die kreisenden Daumen.
»Die machen auch nur ihre Arbeit«, erwiderte Patrik, obwohl er kurz zuvor ähnlich gedacht hatte. Es hatte keinen Zweck, die Journalisten als Gegner zu betrachten. Manchmal waren sie sogar nützlich.
»Wie ist es in Göteborg gelaufen?« Gösta sah Patrik immer noch nicht an.
»Na ja. Es hat sich herausgestellt, dass Ebba ihren Eltern nichts von der Brandstiftung und den Schüssen erzählt hatte.«
Gösta sah auf. »Warum das denn nicht?«
»Sie wollte sie nicht beunruhigen, glaube ich. Ich vermute, sie sind zum Telefon gestürzt, sobald wir weg waren. Vor allem die Mutter wäre am liebsten sofort nach Valö gefahren.«
»Vielleicht gar keine dumme Idee, allerdings wäre es natürlich noch besser, wenn Ebba und Mårten sich von dort fernhielten, bis wir die Sache aufgeklärt haben.«
Patrik schüttelte den Kopf. »Ich würde keine Minute länger als notwendig an einem Ort bleiben, wo jemand nicht nur einmal, sondern gleich zweimal versucht hat, mich umzubringen.«
»Die Leute sind
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