Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
den Tisch.
Der würdigte den Stoß keines Blickes. »Ich habe Leute, die sich um solche Dinge kümmern.«
»Aha, aber die scheinen nicht gut informiert zu sein«, sagte Kjell. »Kommen wir zu den Ausgaben. Was würde es beispielsweise kosten, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen? Vielleicht könnten Sie mir kurz die Summe aufschreiben, damit wir uns über diesen Vorschlag von Schwedens Freunden Klarheit verschaffen?« Er schob John einen Notizblock und einen Kuli über den Tisch, der beides mit Abscheu betrachtete.
»Unsere Zahlen stehen alle im Haushaltsplan. Den brauchen Sie sich nur anzusehen.«
»Haben Sie sie denn nicht im Kopf? Die Zahlen sind doch der Kern der Politik, die Sie machen wollen.«
»Natürlich kenne ich die Zahlen genau«, John fegte den Block zur Seite, »aber ich habe nicht die Absicht, Ihnen hier Kunststückchen vorzuführen.«
»Dann lassen wir den Haushaltsplan eine Weile außer Acht. Vielleicht kommen wir später darauf zurück.« Kjell zog ein anderes Dokument aus seiner Aktentasche. Es war eine Liste, die er selbst aufgestellt hatte.
»Abgesehen von einer restriktiveren Einwanderungspolitik wollen Sie sich dafür einsetzen, dass Verbrecher härter bestraft werden.«
John richtete sich auf.
»Es ist doch ein Skandal, wie lasch diese Dinge in Schweden gehandhabt werden. Bei uns kommt niemand mehr mit einem Klaps auf die Finger davon. Auch innerhalb der Partei legen wir hohe Maßstäbe an, nicht zuletzt deshalb, weil uns durchaus bewusst ist, dass man uns früher mit einigen … etwas unglücklichen Elementen in Zusammenhang gebracht hat.«
Unglückliche Elemente. So konnte man es auch ausdrücken, dachte Kjell, hielt jedoch den Mund. Offenbar hatte er John schon fast da, wo er ihn haben wollte.
»Wir haben unsere Listen für den Reichstag von allen kriminellen Subjekten gesäubert und gehen in diesem Punkt äußerst streng vor. Alle müssen ein Führungszeugnis vorlegen und Rechenschaft auch über lang zurückliegende Verurteilungen geben. Wer eine kriminelle Vergangenheit hat, darf Schwedens Freunde nicht vertreten.« John lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
Kjell wiegte ihn einige Sekunden in Sicherheit. Dann legte er die Liste auf den Tisch.
»Wie kommt es dann, dass Sie nicht genauso hohe Ansprüche an die stellen, die im Parteisekretariat arbeiten? Nicht weniger als fünf Ihrer Mitarbeiter haben einen kriminellen Hintergrund. Es gibt Verurteilungen wegen Körperverletzung, Androhung von Gewalt, Raub und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Ihr Pressesprecher zum Beispiel wurde 2001 verurteilt, weil er einen Äthiopier auf dem Marktplatz in Ludvika schwer misshandelt hat.« Kjell schob die Liste noch ein Stück vor, bis sie direkt vor Johns Nase lag. Flammende Röte überzog den Hals des Parteichefs.
»Ich kann mich dazu nicht äußern, weil ich weder die Vorstellungsgespräche führe noch für die Abläufe im Parteisekretariat zuständig bin.«
»Da Sie aber letztendlich für Ihre Angestellten verantwortlich sind, müssten diese Probleme auf Ihrem Schreibtisch landen, auch wenn sie rein praktisch nicht in Ihren Aufgabenbereich fallen.«
»Jeder hat ein Recht auf eine zweite Chance. Es handelt sich hier größtenteils um Jugendsünden.«
»Eine zweite Chance, sagten Sie? Warum verdienen Ihre Angestellten eine zweite Chance, Einwanderer, die ein Verbrechen begangen haben, jedoch nicht? Ihrer Ansicht nach sollten sie ja gleich im Anschluss an die Verurteilung des Landes verwiesen werden.«
John biss die Zähne so fest zusammen, dass seine Züge noch markanter wirkten.
»Wie gesagt, ich habe diesen Bewerber nicht persönlich eingestellt, werde den Fall aber prüfen.«
Kjell überlegte kurz, ob er ihn noch mehr unter Druck setzen sollte, doch die Zeit lief ihm davon, und John hatte möglicherweise bald die Nase voll.
»Ich habe noch ein paar persönliche Fragen an Sie.« Er warf einen Blick auf seine Notizen. Eigentlich hatte er alles im Kopf, aber er wusste aus Erfahrung, dass es Eindruck machte, wenn man etwas schriftlich vorliegen hatte. Es flößte Respekt ein.
»Sie haben davon berichtet, dass Sie sich mit Einwanderungsfragen zu beschäftigen begannen, nachdem Sie als Zwanzigjähriger von zwei afrikanischen Kommilitonen überfallen und zusammengeschlagen worden waren, die wie Sie in Göteborg studierten. Sie erstatteten Anzeige bei der Polizei, aber die Ermittlungen wurden eingestellt, und Sie liefen den Schuldigen während Ihres
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