Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
»Hast du schon vergessen, dass jemand versucht hat, das Haus abzufackeln?«
»Nein, das habe ich nicht, aber ich frage mich immer noch, wieso wir daraus den Schluss ziehen, das eine habe etwas mit dem anderen zu tun.« Er betonte jede Silbe so überdeutlich, als wollte er Gösta ärgern.
Patrik seufzte erneut. Die beiden waren wie Kinder.
»Du triffst hier die Entscheidungen, Bertil, aber ich glaube, es wäre ein Fehler, sich nicht mit der Entdeckung zu beschäftigen, die das Ehepaar Stark gestern gemacht hat.«
»Deine Meinung ist mir bekannt, aber du stehst ja auch nicht Rede und Antwort, wenn die Leitung von uns wissen will, warum wir unsere mageren Ressourcen auf einen Fall verschwenden, der sein Haltbarkeitsdatum seit Jahren überschritten hat.«
»Wenn die Brandstiftung mit dem Verschwinden der Familie zusammenhängt, ist es auch relevant«, insistierte Gösta.
Mellberg schwieg eine Weile. »Dann arbeiten wir eben ein paar Stunden an der Sache. Also, legt los.«
Patrik atmete auf. »Na dann. Als Erstes sehen wir uns an, was Martin herausgefunden hat.«
Annika setzte die Brille auf und wandte sich Martins Bericht zu. »Martin hat keine Unstimmigkeiten entdeckt. Das Ehepaar Stark hatte das Ferienheim nicht überversichert, eher im Gegenteil, im Fall eines Brands hätte ihnen also keine große Summe zugestanden. Privat haben sie ziemlich viel Geld auf der Bank, das aus dem Verkauf der Göteborger Wohnung stammt. Ich nehme an, dieses Geld ist für die Renovierung gedacht und soll die laufenden Kosten decken, bis der Betrieb läuft. Auf Ebbas Namen läuft eine Firma. Sie heißt Mein Engel . Offenbar stellt sie Silberschmuck in Form von Engeln her und vertreibt ihn über das Internet, die Einkünfte sind allerdings nicht der Rede wert.«
»Gut. Wir behalten diese Spur noch ein wenig im Auge, aber momentan scheint nichts auf einen Versicherungsbetrug hinzudeuten. Dann wäre da noch der Fund von gestern.« Patrik wandte sich an Gösta. »Würdest du uns bitte erzählen, wie das Haus aussah, als ihr es nach dem Verschwinden der Familie untersucht habt?«
»Klar. Ich kann euch auch die Bilder zeigen.« Gösta schlug einen Ordner auf. Er nahm einen Stapel vergilbte Fotos heraus und reichte sie herum. Patrik war verblüfft. Trotz ihres Alters handelte es sich um hervorragende Tatortfotografien.
»Im Esszimmer gab es keinen Hinweis darauf, dass etwas passiert war«, sagte Gösta. »Das Essen war zur Hälfte verzehrt, aber wir fanden nicht das geringste Anzeichen für eine Auseinandersetzung. Es war nichts kaputtgegangen, und der Boden war sauber. Seht es euch selbst an, falls ihr mir nicht glaubt.«
Patrik betrachtete die Bilder genau. Gösta hatte recht. Es sah aus, als wäre die Familie einfach vom Tisch aufgestanden und gegangen. Ihn schauderte. Der gedeckte Tisch, die halb leergegessenen Teller und die ordentlich aufgereihten Stühle hatten etwas Gespenstisches. In der Mitte des Tisches stand eine Vase mit Osterglocken. Nur die Menschen fehlten, und die Entdeckung unter den Bodendielen fügte noch eine Dimension hinzu. Jetzt konnte Patrik nachvollziehen, wieso Erica so viel Zeit darauf verwandt hatte, das geheimnisvolle Verschwinden der Familie Elvander zu erforschen.
»Angenommen, es handelt sich tatsächlich um Blut. Kann man nachweisen, ob es von der Familie stammt?«, fragte Annika.
Patrik schüttelte zögerlich den Kopf. »Das ist zwar nicht mein Spezialgebiet, aber ich glaube nicht. Ich würde tippen, dass es für solche Analysen zu alt ist. Wir können nur hoffen, dass man uns sagt, ob es sich um menschliches Blut handelt. Wir haben ja auch niemanden, mit dem wir die Proben vergleichen könnten.«
»Ebba ist noch da«, wandte Gösta ein. »Falls das Blut von Rune oder Inez stammt, könnte man möglicherweise ein DNA -Profil erstellen, das mit dem von Ebba übereinstimmt.«
»Richtig, aber meines Wissens zersetzt sich Blut ziemlich schnell, und in diesem Fall sind viele Jahre vergangen. Unabhängig vom Ergebnis der Blutanalyse müssen wir herausfinden, was an diesem Ostersonnabend passiert ist. Wir werden die Vergangenheit neu aufrollen.« Patrik legte die Fotos auf den Tisch. »Wir lesen die Protokolle aller Verhöre von damals und sprechen dann noch einmal mit den Personen. Irgendwo muss die Wahrheit zu finden sein. Eine ganze Familie kann nicht einfach verschwinden. Wenn wir die Bestätigung bekommen, dass es sich um menschliches Blut handelt, können wir davon ausgehen, dass die Tat in dem
Weitere Kostenlose Bücher