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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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hieß sie also, dachte Gösta. Die süße Kleine, deren Herz so heftig klopfte.
    »Seid ihr Runes Schüler?«, fragte Henry streng, aber der Junge ließ sich davon nicht einschüchtern. Er sah die Polizisten ganz ruhig an und antwortete höflich:
    »Ja, wir gehen hier zur Schule, sind aber in den Ferien nicht nach Hause gefahren.«
    »Wo kommt ihr jetzt her?« Gösta runzelte die Stirn.
    »Wir sind heute Morgen schon ganz früh mit dem Boot raus. Die Familie wollte groß mittagessen, und da waren wir nicht erwünscht. Also sind wir stattdessen Fischen gegangen, das bildet nämlich den Charakter.«
    »Habt ihr einen guten Fang gemacht?« Henrys Tonfall zeigte deutlich, dass er dem Jungen nicht traute.
    »Wir haben einen ganzen Trog Fische gefangen.« Der Junge zeigte auf das Boot.
    Gösta sah die Rolle mit der Schleppleine, die fest am Bootsheck vertäut war.
    »Bis wir die Sache hier aufgeklärt haben, müssen wir euch mit in die Dienststelle nehmen.« Henry ging auf sein Boot zu.
    »Können wir uns nicht vorher waschen? Wir sind ganz schmutzig und stinken nach Fisch«, sagte ein anderer Junge mit ängstlichem Gesicht.
    »Jetzt tun wir, was die beiden Schutzmänner sagen«, zischte der Junge, der der Anführer zu sein schien. »Selbstverständlich kommen wir mit. Falls wir einen unfreundlichen Eindruck gemacht haben, bitte ich um Entschuldigung. Wir waren nur besorgt, als wir Ebba mit zwei fremden Männern sahen. Ich heiße Leon Kreutz.« Er gab Gösta die Hand.
    Henry erwartete sie bereits im Boot. Gösta folgte den Jungen mit Ebba auf dem Arm. Er warf einen letzten Blick auf das Haus. Wo zum Teufel steckte die Familie? Was war passiert?
    Gösta kehrte in die Gegenwart zurück. Seine Erinnerungen waren so lebendig, dass er fast das Gefühl gehabt hatte, die warme Hand des Mädchens in seiner zu spüren. Er streckte sich und zog ein Foto aus dem Stapel. Es war noch am selben Tag in der Dienststelle von den fünf Jungen gemacht worden: Leon Kreutz, Sebastian Månsson, John Holm, Percy von Bahrn und Josef Meyer. Alle waren ungekämmt, trugen verdreckte Kleidung und guckten finster in die Kamera. Außer Leon. Er strahlte und wirkte älter als sechzehn. Er war ein gutaussehender Junge, fast klassisch schön, stellte Gösta fest, als er sich das alte Bild ansah. Damals hatte er gar nicht darüber nachgedacht. Er blätterte in den Ermittlungsunterlagen. Leon Kreutz. Was er wohl aus seinem Leben gemacht hatte? Gösta notierte sich etwas. Von den fünf Jungen hatte sich ihm Leon am stärksten eingeprägt. Vielleicht sollte er mit ihm anfangen.

Fjällbacka 1920
    D as Mädchen schrie ununterbrochen Tag und Nacht, und Dagmar konnte sie nicht einmal übertönen, wenn sie sich die Ohren zuhielt und selbst aus Leibeskräften brüllte. Dann hörte sie immer noch das heulende Kind und die Nachbarn, die an die Wand klopften.
    So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Noch immer spürte sie seine Hände auf ihrer Haut und sah seinen Blick, als er sie nackt im Bett betrachtete. Sie war überzeugt davon, dass er ihre Gefühle erwiderte. Irgendetwas musste passiert sein. Sonst hätte er sie doch nicht vollkommen mittellos in dieser demütigenden Lage zurückgelassen. War er gezwungen worden, nach Deutschland zurückzukehren? Dort brauchten sie ihn wahrscheinlich. Er war ein Held, der treu seine Pflicht tat, wenn das Heimatland ihn rief, obwohl es ihm das Herz brach, sich von ihr trennen zu müssen.
    Schon bevor sie von ihrer Schwangerschaft wusste, hatte sie auf jede erdenkliche Weise nach ihm gesucht. Sie hatte mehrere Briefe an die deutsche Gesandtschaft in Stockholm geschrieben und jeden, der ihr begegnete, gefragt, ob er den Kriegshelden Hermann Göring kenne und wisse, wo er sich aufhalte. Wenn er erfuhr, dass sie sein Kind zur Welt gebracht hatte, würde er mit Sicherheit zurückkehren. Was immer er Wichtiges in Deutschland zu tun hatte, er würde alles stehen und liegen lassen, um sie und Laura zu retten. Niemals würde er zulassen, dass sie in solchem Elend und unter Menschen lebten, die auf sie herabsahen und ihr nicht glaubten, dass er Lauras Vater war. Wenn Hermann erst in seiner schicken Fliegeruniform vor ihrer Tür stehen und sie in die Arme schließen würde, wenn er sie zu seinem schnittigen Wagen führte, dann wären die Leute überrascht.
    Das Mädchen in der Wiege schrie immer lauter, und Dagmar wurde immer wütender. Keine Minute hatte sie Ruhe. Das Kind machte es absichtlich, das sah sie ihm an. Klein, wie sie war,

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