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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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nach rechts und links werfend, in den Klinikflur. Sie hielt sich nah an der Wand und ging an einer Reihe von geschlossenen Türen vorbei. Da es überhaupt keine Namensschilder gab, wurde ihr allmählich klar, dass sie Hermann hier niemals finden würde. Sie war kurz davor zu verzweifeln und musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht laut zu wimmern. Noch durfte sie nicht aufgeben.
    Zwei junge Krankenschwestern kamen ihr entgegen. Sie unterhielten sich leise, doch als sie sich näherten, konnte Dagmar das Gespräch besser verstehen. Sie spitzte die Ohren. Hatte sie da nicht den Namen Göring gehört? Sie ging langsamer und horchte angestrengt. Die eine Schwester hielt ein Tablett in der Hand und beklagte sich anscheinend bei der anderen.
    »Beim letzten Mal hat er mich mit dem Essen beworfen.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Deswegen hat die Hauswirtschafterin ja auch gesagt, dass wir nur noch zu zweit zu Göring gehen sollen«, erwiderte die andere. Auch ihre Stimme klang ein wenig zittrig.
    Zögernd blieben sie vor einer Tür stehen. Dagmar begriff, dass ihre Chance gekommen war. Jetzt musste sie handeln. Sie räusperte sich und sagte in strengem Ton: »Mir ist mitgeteilt worden, dass ich mich um Göring kümmern soll, um euch zwei zu entlasten.« Sie streckte die Hände nach dem Tablett aus.
    »Ach, wirklich?«, fragte das Mädchen mit dem Essen unschlüssig, aber die Erleichterung war ihr deutlich anzumerken.
    »Ich weiß, wie man Männer wie Göring anpacken muss. So, nun seht zu, dass ihr euch irgendwo nützlich macht. Ich kümmere mich um ihn. Öffnet mir nur vorher die Tür.«
    »Danke.« Die Mädchen machten einen Knicks. Die eine zog einen schweren Schlüsselbund aus dem Kittel und steckte geschickt den passenden Schlüssel ins Schloss. Sie hielt Dagmar die Tür auf, doch sobald diese den Raum betreten hatte, entfernten sich die beiden rasch. Sie waren froh, um diese unangenehme Aufgabe herumgekommen zu sein.
    Dagmar bekam Herzklopfen. Da lag ihr Hermann auf einer einfachen Pritsche und wandte ihr den Rücken zu.
    »Alles wird gut, Hermann.« Sie stellte das Tablett auf den Fußboden. »Ich bin jetzt da.«
    Er rührte sich nicht. Während sie ihn von hinten betrachtete, durchfuhr sie ein wohliger Schauer, weil sie ihm endlich so nah war.
    »Hermann.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Er zuckte zusammen, drehte sich mit einer einzigen Bewe gung um und setzte sich auf die Bettkannte. »Was wollen Sie?« , brüllte er.
    Dagmar schreckte zurück. War das ihr Hermann? Der elegante Flugkapitän, der ihren ganzen Körper zum Zittern gebracht hatte? Dieser stolze und athletisch gebaute Mann, dessen Haar in der Sonne golden schimmerte? Das konnte doch gar nicht sein.
    »Gib mir meine Medizin, du Rotzgöre. Auf der Stelle! Weißt du nicht, wer ich bin? Ich bin Hermann Göring, und ich brauche meine Medikamente.« Er sprach Schwedisch mit einem starken deutschen Akzent und suchte immer wieder nach Worten.
    Es schnürte ihr die Kehle zu. Der Mann, der sie wie ein Wahnsinniger anbrüllte, war fett und hatte eine kränklich fahle Haut. Das dünne Haar klebte ihm am Kopf. Schweiß lief ihm übers Gesicht.
    Dagmar holte tief Luft. Sie musste sichergehen, dass sie sich nicht in der Tür geirrt hatte.
    »Hermann. Ich bin es, Dagmar.« Sie hielt einen sicheren Abstand zu ihm und stellte sich darauf ein, dass er jederzeit ausfällig werden konnte. Die Adern an seinen Schläfen pulsierten heftig, und seine blasse Haut färbte sich vom Hals aufwärts dunkelrot.
    »Dagmar? Mir ist egal, wie ihr Huren heißt. Ich will meine Medizin. Die Juden haben mich hier eingesperrt, und ich muss gesund werden. Hitler braucht mich. Gib mir meine Medikamente!«
    Er hörte gar nicht mehr auf zu schreien und spuckte Dagmar dabei ins Gesicht. Entsetzt versuchte sie es noch einmal: »Erinnerst du dich nicht an mich? Wir haben uns auf einem Fest bei Doktor Sjölin kennengelernt. In Fjällbacka.«
    Sein Wutanfall endete abrupt. Er runzelte die Stirn und sah sie verdutzt an.
    »In Fjällbacka?«
    »Ja, auf dem Fest bei Doktor Sjölin«, wiederholte sie. »Wir haben die Nacht zusammen verbracht.«
    Seine Gesichtszüge hellten sich auf. Offensichtlich erinnerte er sich noch an sie. Endlich. Nun würde alles gut werden. Sie würde alles in Ordnung bringen, und Hermann würde sich wieder in ihren schicken Piloten verwandeln.
    »Du bist die Kellnerin.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ich heiße Dagmar.« Langsam wurde ihr

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