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Die Engelsmuehle

Die Engelsmuehle

Titel: Die Engelsmuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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doch die Zeit lief ihm davon. Er konnte Kohlschmied nicht ewig hinhalten, zudem hätte er schon längst mit dieser Frau Domenik telefonieren müssen, die auf seinen Bericht wartete.
    Als er die letzte Etage erreichte, bemerkte er die Holzsplitter auf dem Boden. Dann sah er den zerfetzten Rahmen seiner Wohnungstür. Sie stand einen Spaltbreit offen, die Metallplatten des Schlosses waren komplett verbogen.
    Ungläubig starrte er auf das Schild unter der Klingel. Er befand sich vor der richtigen Wohnung. Langsam schob er die Tür mit der Schuhspitze auf. Holzspäne rieselten zu Boden. Der Einbrecher hatte das Schloss gewaltsam mit einem Stemmeisen aufgebrochen. An der Breite der Abdrücke bemerkte Hogart, dass es sich um ein großes Werkzeug gehandelt hatte. Ein Profi wäre anders vorgegangen. Er hätte gewusst, wo sich die fünf Zapfen des Sicherheitsschlosses befanden. Doch dieser Kerl hatte das Stemmeisen wahllos an verschiedenen Stellen angesetzt und so lange probiert, bis die Tür aufsplitterte. Von der Oberkante des Türrahmens bis zum Boden war das Holz komplett eingedrückt.
    Mit rasendem Herzen betrat Hogart die Wohnung. Das schwere Stemmeisen lehnte sogar noch an der Wand. Welcher Dilettant hinterließ absichtlich solche Spuren? Im ersten Moment dachte er an die Jugendlichen aus dem Nachtclub im Kellergeschoss, die sich einen Spaß erlaubten, Wohnungen aufzubrechen, Partys zu feiern und die gesamte Einrichtung zu zerstören. Doch die Möbel waren nicht demoliert worden. Er ging durch den Vorraum und blickte in jedes Zimmer. In der Küche waren alle Schubladen aufgezogen und sämtliche Schränke geöffnet. Die Sitzbänke der Essecke waren aufgeklappt, die darin befindlichen Servietten und Tischtücher rausgeworfen. Der Einbrecher wollte nichts verwüsten - er hatte etwas Bestimmtes gesucht. Doch weshalb in der Küche? Die Schuhe aus der Kommode lagen im Vorzimmer verstreut - die Hosen und Jacken im Schrank waren an den Kleiderhaken zur Seite geschoben, als habe jemand an der Rückwand nach einem Safe gesucht.
    Er warf einen kurzen Blick ins Schlafzimmer. Auch dort das komplette Chaos. Das Bett war verschoben, die Schranktüren und Laden des Nachttisches standen offen. Seine Socken und Boxer-Shorts lagen auf dem Bett. Die Räume sahen aus, als hätte ein Tornado durch die Etage gefegt. Im Esszimmer war der Teppich aufgeschlagen, doch darunter befand sich nur der Parkettboden - mit keinem einzigen losen Brett. Die gerahmten Bilder und signierten Schallplatten von Duke Ellington, Muddy Waters und John Lee Hooker hingen schief an der Wand. Hinter keinem davon befand sich ein Safe. Was hatten die Einbrecher erwartet? Die Wohnung eines verkappten Millionärs? Als er für einen Augenblick verharrte, glaubte er ein Rauschen und Knistern zu hören, das aus dem Wohnzimmer drang. Hogart versteifte sich. Vorsichtig betrat er den Raum. Fernsehgerät und Videorekorder standen noch auf ihrem Platz. Die Mattscheibe flimmerte. Auch der Videorekorder war noch eingeschaltet, die grüne Lampe leuchtete. Beide Geräte schienen noch intakt zu sein, doch abgesehen davon sah das Wohnzimmer verheerend aus. Alle Schallplattenhüllen lagen auf dem Boden, auch wenn auf den ersten Blick keine davon zerrissen war. Die Videofilme seiner Sammlung lagen ebenfalls auf dem Boden verstreut. Die von Bette Davis und Rita Hayworth signierten Kinoplakate hingen nur noch an einer Ecke befestigt von der Wand. Hogart stieg vorsichtig über die Schellacks und Videos. Mit dem Kugelschreiber aus seiner Brusttasche schob er eine bestimmte Schublade auf. Darin lag seine Dokumentenmappe. Das Schloss war aufgebrochen, doch es schien nichts zu fehlen. Niemand hatte den Reisepass, die Euro oder Geldnoten in Fremdwährungen gestohlen. Wozu der Einbruch? Die Situation erschien ihm reichlich surreal.
    Instinktiv blickte er noch einmal zu dem knisternden Fernsehgerät. Der Adapter lag mit aufgeklapptem Fach vor dem Videorekorder. Ostrovskys Film fehlte! Mit der Fernbedienung brachte er endlich das TV-Gerät zum Verstummen. Die Mattscheibe versank in eine glänzende Schwärze. Das Wohnzimmer spiegelte sich im Glas. Er sah sich selbst inmitten des verwüsteten Raums, schief und verzerrt. Hinter ihm stand eine zweite Gestalt reglos im Türrahmen zum Esszimmer.
    Hogart wirbelte herum. Die Gestalt verschwand aus dem Türrahmen. Gleichzeitig hörte er stolpernde Geräusche aus dem Ess- und Schlafzimmer. Der Einbrecher war noch in der Wohnung! Deshalb lehnte das Stemmeisen

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