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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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zu vergessen, nur um sie dann doch wieder zu stellen. Weddemeister Wagner mochte nicht so erscheinen, dennoch war er ein äußerst gründlicher Mensch.
    «Anders als sonst?» Luise schüttelte langsam denKopf. «Er wirkte wohl besorgt, aber nur wegen Onne. Er nahm großen Anteil an der Krankheit meines Sohnes und sprach mir Trost zu. Vielleicht fragt Ihr auch Merthe danach. Sie hat noch mit ihm gesprochen, nachdem ich zu Onne zurückgegangen war. Ich habe nicht darauf geachtet, was sie redeten, sie sprachen auch zu leise, aber ich bin sicher, ich habe ihre Stimmen in der Diele oder auf der Treppe gehört. Sonst war um diese Zeit niemand im Haus, nur Onne, Merthe und ich. Unsere Magd und das Küchenmädchen wohnen bei ihren Eltern, sie gehen am Abend nach Hause. Ebenso der Lehrjunge.»
    Damit war der Weddemeister zufrieden gewesen. Für diesen Tag. Er komme wieder, morgen, nein, wohl erst übermorgen, die eine oder andere Frage sei gewiss noch zu beantworten.
    Mit den Männern, die im Lager um den Tisch saßen, hatte er nur kurz gesprochen, hatte Hachmann ihr berichtet, obwohl es zunächst aussah, als werde es sehr lange dauern. Er hatte sich alle Namen aufgeschrieben, jeden auf einen eigenen Zettel, hatte gefragt, was für ein Mensch Kloth gewesen war, wer seine Freunde seien und schließlich, was er mitten in der Nacht in der Druckerei gemacht habe. Das wusste niemand, ebenso wenig wie sie selbst.
    ‹Und dann›, sagte Hachmann, ‹schlug es zehn, der Weddemeister sprang plötzlich auf, rief nach Grabbe, seinem Gehilfen, und war wie der Blitz verschwunden.› Grabbe, schloss er, habe alle gefragt, wo sie in der letzten Nacht gewesen seien. Was für eine Frage: In einer Sonntagnacht sei doch jeder ordentliche Mensch zu Hause in seinem Bett.
    Wo alle gewesen seien? Luise stellte sich die Gesichterder Männer vor, einen nach dem anderen, von Hachmann, dem Ältesten, bis zu Joergen, dem Jüngsten. Wenn der Weddemeister den, der Cornelis erschlagen hatte, unter den Männern in der Druckerei suchte, war das eine absurde Idee. Genauso gut konnte er vermuten, sie habe sich von Onnes Bett in die Druckerei geschlichen. Das hätte niemand bemerkt. Nicht einmal Merthe, die in ihrer hinteren Kammer tief und fest geschlafen hatte, bis sie sie eine Stunde vor Mitternacht weckte und wegen Onnes Krisis nach dem Arzt schickte.
    Merthe? Hastig erhob sie sich und schloss das Fenster. Noch so ein absurder Gedanke.
    Während der Stunden in der Druckerei war ihr Kopf leer gewesen, nun drehten sich darin die Gedanken wie ein Mühlrad. Es musste bald Mittag sein, sie hatte noch nie um diese Stunde geschlafen, auch heute würde sie das nicht können. Aber sie wollte sich auf das Bett legen und ruhen, bevor sie Merthe an Onnes Bett abwechselte. Und die Männer brauchten ein zweites Frühstück, eine Suppe am besten, Speck und Brot, eine Kanne Bier und – da war sie schon tief eingeschlafen. Die Träume, vor denen sie sich gefürchtet hatte, waren gnädig. Sie blieben aus.

KAPITEL 2
    Im Hof des Kröger’schen Hauses in der Fuhlentwiete herrschte bis auf das übermütige Trillern einer Singdrossel, die sich eine Pause vom Brüten gönnte, noch Ruhe. Wohl klangen von der Straße Stimmen und das Hämmern aus der nahen Schmiede herein, und im Stall schnaubten die drei Pferde der Becker’schen Gesellschaft ungeduldig nach Bewegung. Die Geschäftigkeit von Menschen jedoch fehlte, denn die meisten Mieter der Krögerin schliefen an diesem Morgen länger, für einen ganz gewöhnlichen Wochentag tatsächlich viel länger als üblich. Die Hochzeitsfeier des Weddemeisters hatte erst tief in der Nacht ihr Ende gefunden, als die frisch getrauten Eheleute Wagner schon längst in ihre neue Wohnung am Plan verabschiedet worden waren, begleitet vom weinseligen Johlen der Jakobsen’schen Stammgäste.
    Trotz des stolpernden Anfangs in der Kirche war es ein wunderbares Fest geworden. Zum Schluss hatte Jakobsen dröhnend verkündet, so viel kunstvollen Gesang samt Flötenspiel habe es noch nie in seinem Gasthaus gegeben, von nun an werde er jeden Sonnabend aufspielen lassen, das mache sein Haus garantiert zur besten Adresse für die zahlreichen Liebhaber delikater Speisen und schöner Künste. Woraufhin Jean sofort auf einen Schemel stieg, leicht schwankend und auf Titus’ breite Schultergestützt, um auch an die Kunst der Poesie zu erinnern, die Jakobsen bei seinem grandiosen Plan keinesfalls vernachlässigen dürfe. Zum Beweis rezitierte er einige Zeilen

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