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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kelle und füllte, genüsslich den aromatischen Dampf des Kaffees einziehend, die Kanne.
    «Nur ein Minütchen noch», sagte sie eifrig, holte den Milchtopf aus der kalten Kammer und schöpfte einige Löffel Rahm in ein Kännchen, das schon vor geraumer Zeit seinen Henkel eingebüßt hatte. «Gleich hat er sich gesetzt. Nein, Bendix ist nicht einfach verschwunden. Er arbeitet zukünftig in einer großen Druckerei in London, wo er noch irgendwas, fragt mich nicht, was, ich kenne mich nicht aus mit der Druckerei, noch irgendwas lernen kann. Es heißt, Madame Boehlich habe ihm dazu verholfen, weil sie zu irgendwelchen Engländern die besten Beziehungen hat. Die Leute vom Englischen Haus in der Gröninger Straße lassen bei ihr Verträge und Listen und was weiß ich noch drucken. Ich glaube aber», sie stellte drei Tassen auf den Tisch und goss endlich den versprochenen Kaffee ein, «ich glaube, der Faktor hat ihm die Stelle besorgt. Cornelis Kloth war ja nicht dumm. Aber sooder so, ihr müsst zugeben, das ist eine tragische Geschichte. Nun steht sie da, ganz allein. Da schickt sie den Mann ihres Herzens», wieder folgte ein inniger Seufzer, «weit fort, weil sie ihr Versprechen halten muss, und kaum ist der weg, stirbt der andere.»
    «Erschlagen», verbesserte Rosina, tröpfelte die dicke Sahne in ihre Tasse und beobachtete, wie sich kleine glänzende Fettaugen auf dem Kaffee verteilten. «Der andere wurde erschlagen. Ihr sagtet: ‹…   kaum ist er weg.› Wann ist er denn abgereist?»
    «Erst vor wenigen Tagen, genau weiß ich das nicht. Wenn der Wind schlecht steht, hat sein Schiff womöglich noch nicht mal Neuwerk passiert. Hätte er doch nur noch ein paar Tage gewartet.»
    «Hm.» Rosina nahm Helena den Löffel aus der Hand und rührte eine kleine Portion Zucker in ihren Kaffee. «Ein paar Tage? Vielleicht ist sein Schiff erst am Montagmorgen mit der beginnenden Ebbe ausgelaufen? Da war der Faktor sogar schon tot.»
    «Unsinn, Rosina», rief Helena. Sie kannte diesen seltsam abwesenden Blick in Rosinas Gesicht. Sie mochte ihn nicht, er bedeutete Ärger und hatte sie mehr als einmal in große Gefahr gebracht. «Madame Kröger sagt es doch: vor einigen Tagen. Nicht gestern! Hör auf, dir über diese Sache den Kopf zu zerbrechen. Die geht nur Madame Boehlich etwas an. Und Wagner. Heute hat er einen freien Tag und hoffentlich Besseres zu tun, als einen Meuchler zu jagen. Aber ab morgen wird unser Weddemeister schon herausfinden, wem der Faktor im Weg war und warum. Außerdem sind auch wir bald weg, sehr weit weg von dieser Druckerei mit ihrem erschlagenen Faktor.»
    «Stimmt», sagte Rosina heiter. «Weit weg. In London. Ihr wisst nicht zufällig, in welcher Druckerei der Boehlich’sche Geselle dort arbeiten wird, Madame Kröger?»
    ***
    «Setzt Euch, Wagner, so setzt Euch doch endlich.» Die Hand Senator van Wittens wedelte ungeduldig zu dem samtbezogenen Stuhl vor seinem Tisch. Ihm war entgangen, dass der Weddemeister schon seiner ersten Aufforderung nachgekommen war, denn sein Blick wanderte suchend über die mit dicken Scheiben von Schinken, Pasteten und kaltem Braten gefüllte Platte, die der Ratsdiener zu seinem zweiten Frühstück hereingebracht hatte. Schließlich entschied er sich für eine in Rotwein gesottene Scheibe Ochsenfleisch, strich einen Löffel voll Senf darüber und garnierte das Ganze mit zwei kleinen scharf eingelegten Gürkchen.
    Wagner schluckte. Sein Frühstück war schon einige Zeit her, und auch wenn es an diesem Morgen nach seiner Hochzeit dank eines gut gefüllten Korbes aus der Jakobsen’schen Küche reicher als gewöhnlich ausgefallen war, war es nicht annähernd so üppig gewesen wie die Köstlichkeiten auf dem Tisch des Senators. Wagner schluckte noch einmal. Selbst wenn er ihm angeboten hätte, an dem reichen Mahl teilzuhaben, wäre es ihm unmöglich gewesen, in Gegenwart seines Dienstherrn zu essen.
    «Eine verzwickte Geschichte», sagte der Senator, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und strich mit den Händen über die reich bestickte sandfarbene Weste, die er unter einem Rock aus feinstem englischem Tuch trug.Obwohl er ein schwerer Mann mit dem geröteten Gesicht des Genießers war, erkannte man immer noch die Eleganz seiner jungen Jahre. Sein Temperament ließ ihn gerne poltern, das hielt er dem Amt des Prätors auch für angemessen. Doch kaum jemand wusste, dass er das Henken und Rädern nicht mochte und sogar mit den ‹Patrioten› sympathisierte, die nicht nur vom

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