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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Doch es hätte sowieso keinen Zweck gehabt.
    «Das macht gar nichts», sagte der Senator fröhlich. «Was Ihr könnt, wird reichen, schließlich seid Ihr weder Kaufmann noch Gelehrter. Ihr sollt nicht disputieren, sondern nur ein bisschen herumschnüffeln, darin seid Ihr großartig. Im Übrigen lernt Ihr blitzschnell dazu, wenn Ihr erst mal dort seid. Ihr seid der richtige Mann, Wagner. Ihr seht völlig harmlos aus, der abgefeimteste Schurke kann Euch nicht als bedrohlich empfinden, und dann sind da Eure seltsamen Bekanntschaften. Mademoiselle Rosina, wie ich schon sagte. Alles trifft sich prächtig. Herrmanns’ famose Großtante, Ihr kennt Augusta, ich meine Madame Kjellerup, sie reist in diesen Tagen nach London, um eine alte Freundin zu besuchen. Tatsächlich natürlich, um dort ihren Neffen und seine widerspenstige Frau zu treffen und für Ordnung zu sorgen, bevor sie nach Hamburg zurückkehren. Aber das vergesst gleich wieder, es fällt auch unter das Thema Diskretion. Als sie sich vorgestern von der Senatorin verabschiedet hat, hat sie erzählt, auch die Becker’sche Gesellschaft reise bald nach London. Weiß der Teufel, warum plötzlich alle Welt so reiselustig ist, mir bekommen schon die Dienstbesuche auf Neuwerk übel. Jedenfalls hat mich das auf eine grandiose Idee gebracht.»
    Von dem Tag an, an dem die Becker’schen Komödianten ihr Schiff nach London bestiegen, so eröffnete ihm der Senator fröhlich, werde es in ihrer Truppe ein neues Mitglied geben. Das sei die beste Tarnung, rief er, die allerbeste. Niemand in London oder sonst wo in der zivilisierten Welt vermute einen ordentlichen HamburgerWeddemeister ausgerechnet unter Komödianten. Und die Sache mit der Sprache, Mademoiselle Rosina, die doch stets eine gewisse Neigung zu seiner, Wagners, Arbeit zeige, werde ihm, wenn es denn nötig werde, gewiss gerne als Übersetzerin aushelfen.
    Der Senator strahlte über sein breites rosiges Gesicht, und Wagner fühlte sich, als drücke ihm jemand die Kehle zu. Die grandiose Idee des Dienstherrn erschien ihm nicht viel besser als die Verheißung des Galgens. Er fürchtete nicht die Gesellschaft der Komödianten, selbst wenn er keine Ahnung hatte, welche Aufgaben er bei ihnen erfüllen könnte. Egal was der Senator von ihm verlangte, ganz gewiss würde er sich weigern, auf der Bühne den dummen August zu spielen. Er würde auch nicht singen und nicht tanzen. Nein, wahrhaft Furcht erregend erschien ihm die Reise über das unberechenbare Meer in diese riesige wilde Stadt. Vor allem aber: Was sollte bis zu seiner Rückkehr – falls er dieses Abenteuer überlebte – aus Karla werden?
    «Es ist unmöglich», platzte er heraus. «Ein ehrenvoller Auftrag, gewiss, sehr ehrenvoll, aber es geht auf gar keinen Fall. Ich habe gestern geheiratet, meine Frau hat keine noch so entfernten Verwandten. Es ist unmöglich, sie allein zu lassen.»
    Der Senator klatschte in die Hände. «Prachtvoll, Wagner! Das hätte ich fast vergessen. Ihr habt deshalb heute einen freien Tag, nicht wahr? Dann wollen wir uns beeilen, damit Ihr schnell ins neue Nest zurückkönnt. Eure Frau reist natürlich mit Euch, das ist eine noch bessere Tarnung, ohne Zweifel, eine noch
viel
bessere. Erzählt ihr einfach, das sei Eure Hochzeitsreise. Solcherlei Dummheiten machen die jungen Leute neuerdings. Gewöhnlichnur für ein paar Tage nach Eppendorf, manche sind ganz verrückt und fahren an die See wie die Engländer. Aber egal. Sie wird sich freuen, glaubt mir. Frauen sind seltsame Wesen, sie freuen sich über Dinge, die wir nie verstehen werden.» Er sah sich suchend nach seiner Gabel um und nahm sich, als er sie nicht fand, mit den Fingern ein saftiges Stück Schinken. «Und nun setzt Euch wieder, Wagner. Wir haben noch etliches zu besprechen, Pässe, Reisegeld, die Beschreibung der beiden, die mageren Hinweise, die ich Euch sonst noch geben kann. Aber vor allem gibt es in dieser Angelegenheit noch ein weiteres Kapitel. Düster, sehr düster. Es wird Eure ganze Schlauheit erfordern.»
    Endlich zog Wagner doch sein großes blaues Tuch aus der Tasche und wischte sich ausgiebig Stirn und Nacken. Nach einem so unerhörten Befehl konnte das auch einen Senator nicht brüskieren.
    Endlich fiel ihm doch die Rettung ein. «Und wenn ich ihn habe?», fragte er, einen neuen Hoffnungsschimmer in der Stimme, und rutschte schon wieder von der Stuhlkante. «Es wird nicht viel nützen. Die Engländer liefern niemanden aus, selbst wenn einer drei Könige ermordet

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