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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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den Kaffeehäusern erzählt, hatte jüngst ein Hahn zweiunddreißig Artgenossen besiegt. Eine Sensation, die man in Daniels’ Scheune auf den sumpfigen Fields nicht erwarten konnte, dafür waren die Wetten auch nicht so hoch wie in St.   James, keinesfallshoch genug, um einen Mann wie John Webber zu ruinieren.
    Nun kamen die Hunde und die Ratten. Ein kräftiger Terrier stand mit zitternden Flanken in der Arena, von einem Jungen mühsam festgehalten, bis der Sack mit den Ratten auf den Boden entleert war. Er schaffte alle achtzig in elf Minuten. Das Publikum war zufrieden, wenn auch die Wetten nicht viel Gewinn brachten, denn das Ergebnis hatte den Erwartungen entsprochen. Der nächste Kampf verhieß spannender zu werden.
    John Webber hockte in einem Korb acht Fuß über den kämpfenden Tieren und betrachtete das blutige Geschehen mit großer Zufriedenheit. Er mochte Hunde. Das waren redliche Kreaturen, konsequente, mannhafte Wesen. Sie hielten sich nicht wie Katzen damit auf, ihre Opfer hin und her zu schubsen, in die Luft zu werfen, anzubeißen und herumzujagen. Hunde schnappten ohne langes Getue zu: auf den Feind losgehen, zugreifen, totbeißen. Das war eins. Und gleich auf den nächsten Feind.
    Dass er in diesen Korb gesetzt und über die Arena hochgezogen worden war, die Strafe für Männer, die ihre Wetten nicht bezahlen konnten, störte ihn nicht. Diese Sitte war kein Fleck auf seiner weißen Weste. Nur eine Guinee war er schuldig geblieben, weil er dummerweise auf den großen weißen Hahn gesetzt hatte. Er war sicher gewesen, dass das stolze Tier gegen den gerupften Bastard von Widersacher gewinnen würde, also hatte er ein bisschen zu hoch gewettet. Irgendjemand saß an fast jedem Abend in diesem Korb, für ihn war es das erste Mal, doch morgen würde er seine Schuld begleichen und der Lapsus war vergessen.
    Webber war kein leichtsinniger Spieler. Er verachtete Männer, die an einem Abend zehn oder gar zwanzig Pfund verwetteten, ganz besonders wenn sie aussahen, als hätten sie keinen Penny für das Frühstück ihrer Kinder. Solche gab es viele, doch er hielt sich von ihnen fern. Sie hatten alle den gleichen Geruch von Gier, Angst und Fusel, das war ihm widerlich. Er vermied es an diesen Abenden, die er sich einmal im Monat gönnte, zu trinken. Er kam des Vergnügens willen her, nicht, um sich mit Leichtsinn zu ruinieren. Auch nicht, um reich zu werden, das erhofften nur Dummköpfe, seine Geschäfte ernährten ihn und seine Töchter mehr als nur gut. Vier Guineen hatte er heute verloren, die noch schuldige schon eingerechnet, so viel wie der Monatslohn eines Seemanns oder der Preis für dreieinhalb Yard feinsten Satinbrokat. Auch wenn er nur drei hatte riskieren wollen, war ihm das das Gefühl wert, zu jenen Männern zu gehören, die sich einen solchen Verlust nur um des Zeitvertreibes willen leisten konnten.
    Er gestand es sich ungern ein, doch gewiss war dies auch der Grund gewesen, warum er sich bei seinem letzten Besuch auf den Tothill Fields schließlich doch auf eine absurd hohe Wette eingelassen hatte. Nur dieses eine Mal, und es war eine sichere Wette, die zudem nur über ein halbes Jahr lief; er konnte sie nur gewinnen. Eine Clique von Männern, die sich für gewöhnlich in den Clubs der St.   James Street trafen und an den leichtfertigen Umgang mit mehrstelligen Summen gewöhnt waren, hatte die Summe immer höher getrieben. Denn sie wiederum hatten gewettet, dass er, John Webber, diesen Handel
nicht
abschließen werde. Er hatte es ihnen gezeigt und war sicher, dass sie einem Tuchhändler aus derOxford Street und seinesgleichen von nun an mit mehr Respekt begegnen würden.
    Der Platz im schwankenden Korb erschien ihm keine rechte Strafe. Die Seile, die ihn über der Arena hielten, sahen fast neu und sehr stark aus, und von hier oben hatte er eine bessere und sehr viel gefahrlosere Sicht auf die Kämpfe als an seinem Stammplatz direkt an der Brüstung der Arena.
    Während unter ihm Daniels’ Söhne die zerfetzten Ratten in einen Sack schaufelten und den Kampfplatz mit einigen Eimern Wasser notdürftig säuberten, damit die Tiere der nächsten Runde nicht auf Kot und geronnenem Blut ausrutschten, sah er sich um. Er erkannte arme Schlucker mit fauligen Zähnen, Handwerker und Kaufleute, Adelige mit zierlichen Degen an der Seite, auf der Galerie zwei Reverends unter ihren schwarzen Hüten. Auch zwei feine und eine ganze Reihe nicht so feine, dafür zumeist üppig geschminkte und aufgeputzte Damen

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