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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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größer ausgefallen. Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen.» Er trat vor den Spiegel und richtete nachlässig seine Halsbinde: «Nun sehe ich aber, dass es gar keine ist. Immerhin war es eine originelle Idee, deinen Versuch, mich zu kontrollieren, mit Honigsalbe zu versüßen.»
    Florence schluckte. Sie verschloss den Tiegel und betrachtete ihn, als sei er eine seltene Blume. Obwohl sie wusste, dass es das Beste wäre, schweigend zu gehen, trat sie nur wenige Schritte zurück und blieb in der Mitte des Zimmers stehen. Dieses Mal nicht, dachte sie. Dieses Mal lasse ich mich nicht einfach fortschicken.
    Als sie vor zweieinhalb Jahren schließlich einwilligte, William zu heiraten, tat sie das nicht nur, um eine gehorsame Tochter zu sein. Vielleicht hatte er nicht ganz auf die Weise um sie geworben, die sich eine junge Frau in ihren Frühlingsträumen vorstellt, doch da war Wärme zwischen ihnen gewesen, sogar Zuneigung, und bald, wenn er sie bei einem Dinner zu Tisch führte oder ihr zum gemeinsamen Ausritt im Hyde Park in den Sattel half, fühlte sie ihr Herz klopfen. Sie war so leichtfertig gewesen zu glauben, auch er fühle mehr als Respekt, ein wenig nur, aber doch genug.
    Vor allem aber war sie überzeugt gewesen, ihre Ehe, selbst wenn sie aus Vernunft geschlossen wurde, könne niemals langweilig werden. Wenn er ihr von seiner Kindheit auf dem Land erzählte, von den sanften Hügeln Sussex’, von den Pferden und den weiten Wiesen voller Obstbäume, von der Orangerie mit exotischen Pflanzen, fühlte sie sich ihm eng verbunden. Dann fiel diese undurchdringliche Gelassenheit, die er gewöhnlich zeigte, von ihm ab, und sie hatte geglaubt, dass sie gemeinsamdie Stadt verlassen, auf dem alten Wickenham’schen Besitz leben und aus dem zugigen Schloss mit seinen feuchten Mauern, der ganzen maroden Wirtschaft, wieder ein Anwesen machen würden, auf das er stolz sein konnte. Nichts anderes hatte sie sich gewünscht.
    Sie würden hart arbeiten, ihr Land würde aufblühen, die Pächter nicht mehr hungrig in die Städte fliehen. Sie würden Rennpferde züchten, überall entstanden doch in den letzten Jahren Rennplätze, eine neue Mode, für die die reiche Gesellschaft viel Geld auszugeben bereit war. Er wusste alles über Pferde, sie verstand zu rechnen, besser, als es einer jungen Frau erlaubt war – gemeinsam würden sie es schaffen und glücklich und zufrieden leben.
    Und irgendwann würde er vergessen, dass er die Tochter eines Kaufmanns heiraten musste, um die Reste seines Familienbesitzes erhalten und standesgemäß leben zu können.
    Es war ein sentimentaler Mädchentraum gewesen, das wusste sie nun. Weil nichts an seine Stelle getreten, weil nur der Graben der Sprachlosigkeit zwischen ihnen entstanden war, fühlte sie sich in einer Falle.
    Dabei war der Anfang dieser Ehe warm und freundlich gewesen, das hatte sie jedenfalls gedacht, doch dann wurde ihr gemeinsames Leben kalt und sprachlos. Nicht plötzlich, dann hätte sie mit ihm streiten können, kämpfen und womöglich siegen. Aber wo tiefere Vertrautheit entstehen sollte, wuchs die Fremdheit. Zuerst hatte sie gedacht, sie bilde sich das nur ein, das hatte er auch gesagt, als sie allen Mut zusammenkratzte und ihn danach fragte, und sie hatte sich dumm und eine misstrauische Gans gescholten.
    Woher sollte sie wissen, wie Männer und Frauen zusammenleben?Niemand sprach über ein so delikates Thema, alle gaben vor, zufrieden und glücklich zu sein. Selbst ihre Mutter hatte ihr nur liebevoll die Wange getätschelt und versichert, die Ehe sei nun mal kein Mädchentraum, alles werde gut, wenn sie sich nur ein wenig bemühe. Dann war sie davongeflattert, um irgendeine wichtige Angelegenheit mit ihrer Zofe zu besprechen.
    Schließlich hatte Florence das Gefühl, in einem Eishaus zu wohnen, und ihrer beider Leben drifteten immer weiter voneinander fort. Sie wusste nicht, wie das geschehen war, sie wusste auch nicht, wie sie die Wand, hinter der er sich verbarg, durchbrechen konnte. Sie erkannte nur, dass sie versagt hatte.
    Dass auch sie längst eine Mauer um sich aufgebaut hatte, spürte sie nicht.
    Als sie in der vergangenen Nacht nach seinen Schritten auf der Treppe lauschte, hatte sie wie in vielen Nächten zuvor über eine Lösung gegrübelt. Ein neues Kleid oder eine Erfrischung ihrer Haut mit Eselsmilch, ein heiteres Geplänkel über eine allgemein mit Spannung erwartete Opernpremiere, ein besonders festliches Dinner mit kokettem Geflüster gar, wie es in den

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