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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Versuch zu machen, ließ ihre Stimme zittern. «Nichts als Unsinn, und das weißt du. Du kannst doch nicht wirklich glauben, dass ich dich wegen dieses dummen Titels geheiratet habe.»
    «Warum sonst? Sag es mir, ich würde es gerne hören.»
    «Weil ich   …» Sie presste die Lippen zusammen und starrte ihn zornig an. Denn plötzlich wusste sie es. Er nahm sie nie mit nach Wickenham, weil er sich dort mit einer anderen Frau traf. Wie dumm sie gewesen war. Sie drehte sich hastig um, und einen Moment später fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
    William blickte auf die geschlossene Tür, hörte ihre sich rasch entfernenden Schritte und fühlte sich entsetzlich müde. Warum hatte er nur so viel geredet? Es war viel besser, von Dingen zu schweigen, die sowieso alle wussten.
    Er lehnte die Stirn gegen die Fensterscheibe und sah wieder in den Hof hinunter. Dort saß, gemütlich an die Stallwand gelehnt, Mrs.   Cutlers alte Freundin Mrs.   Kjellerup auf der Bank und plauderte mit Mrs.   Pratt. Es war ein friedliches Bild, das ihm sehr gefiel. Keine der Damen, die er kannte, würde sich auf einer groben Bank niederlassen,um mit einer Dienstbotin zu plaudern. Selbst seine Mutter hätte das nicht getan, auch wenn sie sicher sein konnte, von niemandem ertappt zu werden.
    Das Fenster war fest verschlossen, doch plötzlich glaubte er, es rieche nach Heu und Waldmeister, nach Geißblatt und wilden Rosen, dem Schweiß seines Ponys. Nach dem Duft jener endlosen Sommer, in denen er heimlich ganze Nachmittage mit den Kindern der Pächter verbracht hatte. Nach dem Duft der Freiheit.
    ***
    Was William vom Fenster seines Zimmers sah, schien nur ein Bild des Friedens, und manches von dem, was dort gesprochen wurde, hätte ihm nicht gefallen.
    Zwar war Augusta bei der Suche nach ihrem Zimmer gescheitert, die Wirtschaftsräume jedoch hatte sie schnell gefunden. Auch in London lagen die Küchen großer Häuser zumeist im Souterrain und wiesen mit köstlichen Gerüchen von Gebratenem und Gebackenem den Weg. Die Köchin und ihre Mädchen musterten sie eher abweisend als höflich; dass sich einer der Gäste des Hauses in die Küche verirrte, konnte nur Ungemach bedeuten.
    Augusta bestaunte den großen Raum mit seiner Unzahl von blank gescheuerten Töpfen und Pfannen an den Wänden, den offenen Schränken voller Küchengeschirr und trockener Vorräte, den Türen zu den kühlen, noch tiefer gelegenen Kammern für Fleisch und Fisch, für Eis, Milch, Butter und Käse. Sie hätte ihn gerne gründlich inspiziert. Sicher gab es hier eine Menge über neue Gerätschaften und Finessen der Kochkunst zu erfahren, die die Arbeit in der alten Hamburger Küche am Neuen Wandrahmeinfacher machen würde. Besonders der eiserne Herd lockte sie. Sie hatte von diesen neuen teuren Geräten gehört, aber noch nie eines gesehen. Leider würde sich die Köchin, die mit der großen zweizinkigen Gabel vor dem Lamm stand, das an einem Spieß über der einzigen verbliebenen offenen Feuerstelle unter der breiten Esse brutzelte, in der emsigen Zeit des Vormittags kaum über ihre Neugier freuen.
    In der Küche wuselte es von Frauen und Mädchen, Mrs.   Pratt jedoch war nicht darunter, und niemand wusste, wo sie zu finden sei. Gewöhnlich überprüfe sie um diese Zeit die Arbeit der Zimmermädchen, erfuhr Augusta von der Köchin, die nur kurz von dem Lamm aufsah, das schon köstlich nach krossem Braten und Rosmarin duftete. Wenn Madame es wünsche, könne das Aschenmädchen sie suchen.
    Das war ein nur halbherziges Angebot, denn das Kind, das bei Morgengrauen für die Reinigung der Kamine zuständig war, stand auf einem Hocker vor dem großen Spülbecken und schrubbte mit vor Anstrengung gerötetem Kopf eine eiserne Schmorpfanne, die groß genug schien, einen halben Eber aufzunehmen, und ein ganzer Berg von klebrigen Töpfen und Pfannen wartete noch neben dem Becken. Das Mädchen wäre gern der Arbeit mit Sand und Bürste für eine Weile entkommen, doch das strenge Gesicht der Köchin ließ sie nur lispeln, sie habe Mrs.   Pratt vor wenigen Minuten gesehen. Sicher sei sie im Hof, denn die Treppe, zu der sie gelaufen sei, ja, sie sei tatsächlich gelaufen, führe nirgends sonst hin.
    Eine frische, nach Orangenwasser duftende Waffel in der Hand, setzte Augusta ihre Suche fort. Das Kind in der Küche hatte sich nicht geirrt. Mrs.   Pratt hockte, die Röckehochgebunden, am Ende des Hofes vor einem Kräuterbeet und rupfte ohnedies nur mager sprießende Grasstängel aus.

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