Die englische Episode
für seine größte Marotte. Es gab für ihn nichts Schöneres, als seine Naturaliensammlung und seine Antiken vorzuführen. Da er dies unerbittlich betrieb, kannte er niemanden mehr, der sie noch nicht gesehen und höflich bewundert hatte. In Augustas junger Freundin, die zudem äußerst ansehnlich war, was er durchaus zu schätzen wusste, würde endlich wieder jemand seine Sammlerstücke wie seine erhebenden Erläuterungen zu würdigen wissen. Zu dumm, dass er mit diesem Vergnügen bis nach dem Kaffee warten musste.
Auch bedauerte er jetzt zutiefst, dass seine Suche nach diesem kalbsgroßen Hund bislang erfolglos gebliebenwar. Henry Jennings hatte einen aus Italien mitgebracht. Ganz London sprach von dem Exemplar, das eine der sechs altrömischen marmornen Nachbildungen einer noch älteren griechischen Bronzeskulptur war. Die übrigen fünf galten seit Jahrhunderten als verschollen, und auch wenn sie Jennings’ ungewöhnlich hässlichem Tier glichen, würde das Auftauchen eines weiteren der Hunde in London – in der Eingangshalle seines Hauses – wunderbare Furore machen.
Er musste unbedingt diesen neuen diskreten Händler, den William ihm vor einigen Monaten empfohlen hatte, zur Eile mahnen. Schon vor Wochen hatte der ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, ein, wenn nicht gar zwei der Skulpturen seien aufgetaucht, er erwarte täglich genauere Nachricht. Am besten, er versprach ihm eine besondere Prämie, wenn er das Tier noch in diesem Sommer auftrieb. Natürlich konnte er sich eine Kopie von Jennings’ Hund anfertigen lassen, wie es schon einige in den großen Häusern gab. Aber er hatte genug von Kopien, selbst wenn sie ein oder zwei Jahrhunderte alt waren und aus einer berühmten italienischen Werkstatt stammten. Er wollte ein altrömisches, zweitausend Jahre altes Original.
Bis auf Mr. Bach und Mr. Abel, als königliche Musiker die Ehrengäste, waren nun alle eingetroffen, nippten im großen Salon an Sherry oder leichtem Wein, und die plaudernden Stimmen verrieten die Trägheit, die einen Gesellschaftsabend nicht gerade spannend, doch ungemein vornehm machte.
Cilly Cutler tupfte nervöse Schweißtröpfchen von ihrer Oberlippe und ließ ihren Blick ein letztes Mal prüfend durch den Salon gleiten. Sie streifte auch die tadellosenneuen Gardinen – zu schade, dass der arme Mr. Webber sie nun nicht mehr beliefern konnte – und verharrte bei den beiden Männern, die am Kamin in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. So sah es jedenfalls aus, doch Cilly hörte, worum es ging, und fürchtete das Schlimmste.
Das Essen hatte noch nicht einmal begonnen, und schon waren zwei der Herren bei einem Thema, das Ungemach verhieß. Immerhin war Professor Gothat noch nicht rot angelaufen. Das tat er gewöhnlich, kurz bevor er seine Stimme zur Posaune werden ließ und dem Zorn freien Lauf gab, was nicht den guten Sitten entsprach, besonders bei einem akademischen geistlichen Herrn reifen Alters. Aber so war er nun einmal. Allerdings rieb er schon seine Hände, groß und rundlich wie der ganze Mann, vor dem ausladenden Leib gegeneinander – ein sicheres Zeichen, dass die Explosion kurz bevorstand.
Sein Kontrahent war der junge Graf Dagenskøld, dessen Vater Cilly und Augusta aus ihren Kopenhagener Jahren kannten. Er stand gelassen, als plaudere er nur (wie es sich gehört hätte) über das Wetter, neben dem berühmten Gelehrten der Theologie und zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt.
«Bei uns in Oxford», Professor Gothat schlug die rechte Hand auf die Brust, «weiß man, dass das Unsinn ist. Unsinn, sage ich und meine Aberglaube. Wenn nicht gar Gotteslästerung.»
«Das ist ein großes Wort.» Dagenskøld lächelte sanft. «Und hier – verzeiht meinen entschiedenen Widerspruch, Sir – gewiss nicht angebracht. Ich bestreite nicht, dass die Bibel wahr ist, ich bin nur davon überzeugt, dass wir sie falsch auslegen. Die Fossilien …»
«Fossilien, aha. Nennt man diese Steine jetzt so?»
«Ja, Mr. Gothat, Fossilien. Man hat den Begriff von den Franzosen übernommen. Ich und etliche andere, die sich weit besser darauf verstehen, denken, sie beweisen, dass Gott für die Erschaffung der Welt ein wenig länger gebraucht hat als sechs irdische Tage. Ihr werdet zugeben, es ist vermessen, Gottes Zeitrechnung mit unserer gleichzusetzen. Bedenkt, was im 90. Psalm steht:
Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache
. Das ist doch
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