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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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gesehen, und Lord Wickenham, genau, unser junger Lord William, ist sogar
regelmäßig
dort. Ja, und Mr.   Webber hat gesagt, dass er sehr hoch wettet. Die arme Lady Florence, sie war ein so fröhliches junges Ding, und dann musste sie   …»
    Plötzlich schlossen sich Mrs.   Pratts Lippen zu einem schmalen Strich. Sie stand auf, steif und ungelenk wie eine Gliederpuppe, an deren Fäden zu heftig gezogen wurde, und mit einer Stimme, die wieder zu dem einer Dienstbotin angemessenen Ton zurückgefunden hatte, sagte sie: «Ich muss um Verzeihung bitten, Madam. Es steht mir nicht zu, über meine Herrschaft zu reden und, nun ja, meine Arbeit so lange zu vernachlässigen.»
    Sie knickste, eilte mit wehenden Röcken über den Hof und verschwand auf der Treppe zum Souterrain.
    Augusta bedauerte tief, dass Mrs.   Pratt sich so plötzlich auf ihre Pflichten besonnen hatte. Hätten sie und Mrs.   Pratt gewusst, was in der vergangenen Nacht tatsächlich zu Mr.   Webbers Tod geführt hatte, wäre ihr Bedauern noch größer gewesen.

KAPITEL 5
    Das Cutler’sche Haus am St.   James Square summte wie ein Bienenkorb. Zwar war die Tafel im großen Speiseraum längst gedeckt, waren die kalten Speisen aufgetragen, die Weine bereitgestellt und selbst die Kerzen in den Kristalllüstern schon entzündet, doch immer wieder scheuchte Mrs.   Pratt die Mädchen und Diener durch die Gesellschaftsräume im ersten Stock. Hier war noch ein Fliederbukett neu zu richten, dort ein Stäubchen von dem nagelneuen Hammerklavier zu entfernen, einige der Gläser schienen ihr nicht genug poliert, und auch die Fidibusse für das Anzünden der Pfeifen nach dem Dinner waren nicht bereitgelegt. Schließlich brachte Joseph noch die bestürzende Nachricht, Lord Wickenham bringe drei zusätzliche Gäste mit, die Tafel sei entsprechend zu erweitern – Mrs.   Pratt hasste die Stunde vor dem Beginn einer Soiree. Selbst wenn wie heute nur fünfundzwanzig Gäste erwartet wurden.
    Von den Gastgebern war noch nichts zu sehen. Mr.   Cutler hatte ein wenig in der neuesten Ausgabe des
Public Advertiser
und in den dreien aus der letzten Woche des
London Chronicle
geblättert, doch weder die politischen Neuigkeiten (die ihn nur selten überraschten) noch die wahrhaft skandalöse Geschichte über die Entdeckung einer Admiralsgattin in einem Charing-Cross-Bordell vermochtenihn heute zu amüsieren. Für die Provinz musste die Zeitungslektüre voller Neuigkeiten sein, wer in London lebte, las zumeist, was sich in Clubs, Kaffeehäusern und Salons, auf den Rennplätzen und Promenaden schon herumgesprochen hatte. Nur die Nachrichten aus den fernen Kolonien und dem Rest der Welt waren für Männer wie Mr.   Cutler von echtem Interesse. Da die gewöhnlich weniger amüsierten als beunruhigten, flüchtete er sich in das Kabinett mit seiner Naturaliensammlung. Nur um seinen bis dahin makellosen Seidendamastrock zu ruinieren – das zumindest würde später seine Gattin beklagen – und sein Spitzentaschentuch mit dem Staub, der sich auf seinen ausgestopften Schlangen angesammelt hatte. Die prächtigste, eine Regenbogen-Boa von Ceylon, wurde dafür gründlich mit dem frischen Puder seiner Perücke berieselt.
    Cilly Cutler kämpfte vor dem Spiegel in ihrem Zimmer immer noch mit der Entscheidung für das richtige Collier. Sie neigte dazu, den Smaragden den Vorzug zu geben, sie passten am besten zu der cremefarbenen Seide ihres Kleides. Die Bemerkung ihrer Zofe jedoch, sie möge bedenken, dass die Königin in dieser Saison ausschließlich Diamanten trage, bescherte ihr Zweifel. Es war durchaus als ein Zeichen von Charakterstärke zu werten, dass sie sich letztlich für die Smaragde entschied. Umso mehr, als die Ehrengäste des Abends mit der Königin auf vertrautem Fuße standen und ihrer Majestät hoffentlich von dem Glanz des Cutler’schen Hauses berichten würden.
    Madame Augusta saß in einem bequemen Sessel in ihrem Zimmer, die Füße auf einem Hocker, ein Glas Rheinwein in Reichweite, und las zum dritten Mal den Brief, den die Frau ihres Neffen ihr aus Baltimore geschriebenhatte. Er war in verschiedener Hinsicht ein gutes Zeichen. Zum einen bewies er, dass Anne und Claes Herrmanns ihre Nachricht, sie wolle sie bei ihrer Rückreise in London im Cutler’schen Hause treffen, überhaupt erhalten hatten, was bei der ungewissen Reiseroute der beiden Herrmanns nicht sicher gewesen war. Zum anderen ließen Annes Zeilen erkennen, dass ihre schwere Krise überstanden war.
    Es

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