Die englische Episode
Niedergang erlebt hatte. Das Anwesen wurde seit Jahren nicht mehr wie in alter glanzvoller Zeit von Gästen besucht, weswegen niemand um die dort verstaubenden Schätze gewusst habe. Nun stehe die Villa zum Verkauf, einzig deshalb habe sein Agent das formidable Tier entdeckt und zu einem günstigen Preis erstanden. Es sei in
außergewöhnlich
gutem Zustand und schon verschifft, und bald, ja, bald werde es in London eintreffen, um Mr. Cutlers Haus zu schmücken, es sei nur eine Frage günstiger Winde. Wenn es dem Gentleman möglich wäre, eine bescheidene Anzahlung …
Vor lauter Freude – vielleicht auch aus Sorge, das gute Stück könne doch noch an einen höher bietenden Konkurrenten verschachert werden – hatte Mr. Cutler keine bescheidene, sondern eine saftige Anzahlung geleistet. Daraufhin war er mit einem Gefühl, wie er es seit den ersten Wochen seiner Verliebtheit in seine spätere Gattin nicht mehr empfunden hatte, in sein Cabriolet gestiegen und hatte sich umgehend zu
Lloyd’s
kutschieren lassen.
Das hätte er nicht tun sollen. Jedenfalls nicht, bis er seine Freude über die bevorstehende Ankunft seines marmornen Tieres ausgekostet hatte. Aber Madame Augustas Bitte musste erfüllt werden, und was konnte ein solcher Tag des Triumphs anderes bringen als weitere Erfolge? Und tatsächlich, in den Schiffsmeldungen wargerade erst notiert, dass die
Queen of Greenwich
am vergangenen Abend von Philadelphia eingelaufen war.
Es dauerte nur einen beglückten Moment, bis diese frohe Kunde trübe wurde. Wenn ihr Schiff schon seit gestern im Londoner Hafen lag, wo waren dann die beiden Herrmanns’? Warum waren sie nicht längst am St. James Square aufgetaucht oder hatten zumindest eine Botschaft geschickt, wo sonst sie sich aufhielten?
Er ließ sich zu den Anlegern kutschieren, bei denen die Schiffe aus den amerikanischen Kolonien ankerten, und machte sich auf die Suche. Es kostete erhebliche Mühe und eine ganze Menge kleiner Münzen, bis er endlich den Kapitän auftrieb und hörte, was er befürchtet hatte.
Der Kapitän der
Queen of Greenwich
schien ein honoriger Mann, es gab keinen Grund, ihm zu misstrauen. Ja, bestätigte er, Mr. und Mrs. Herrmanns seien als Passagiere angemeldet gewesen, doch seien sie nicht gekommen. Er habe einen Tag über die vereinbarte Abfahrtszeit hinaus gewartet, dann habe er Segel setzen müssen, es sei eilige Fracht an Bord gewesen, und für die Unpünktlichkeit seiner Passagiere, eine im Übrigen scheußlich um sich greifende Unsitte, sei er nicht verantwortlich.
Mr. Cutler hatte ihm höflich zugestimmt und es bei sich doch recht kleinlich gefunden, die Zeit zum Ablegen eines Schiffes, das doch Wochen unterwegs sein würde, so eng zu bemessen. Er verabschiedete sich, murmelte etwas von guter Fahrt und stapfte zurück zu seiner Kutsche.
Der Kapitän ließ sich wieder zu seinem Schiff übersetzen und war mit sich zufrieden, weil er es trotz großer Versuchungen verstanden hatte, ein Geheimnis zu wahren.
Tatsächlich hatte er vorgehabt, noch einige Tage länger im Hafen von Philadelphia zu liegen und auf die beiden gut zahlenden Passagiere zu warten. Bis zwei andere kamen und darauf bestanden, mitgenommen zu werden. Er war ein freier Mann und Herrscher auf dem Schiff, aber konnte man einen Lord Witherborrough mit seinem Sekretär zurückweisen? Anders als die beiden Herrmanns’ waren sie geborene Engländer wie er und – das hatte der Lord ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut – mit brisanten Nachrichten für den König im Gepäck.
Seit Jahren gärte es übel in den Kolonien, erneut seit dem Aufruhr in Boston, bei dem erst wenige Wochen vor ihrer Abfahrt Soldaten eines britischen Regiments fünf amerikanische Bürger erschossen hatten. Das war gewiss unklug gewesen, doch wo sollte das enden, wenn sich nun schon bis dahin rechtschaffene Bürger wie Pöbel aufführten?
So hatte er die beiden Männer in die einzige für vornehme Gäste geeignete Kajüte seines Schiffes einquartiert und Segel setzen lassen – erleichtert, dass die beiden angemeldeten Passagiere nicht noch im letzten Moment auftauchten und ihr Recht forderten. Geheimnachrichten für die Krone hatten Vorrang. Punktum. Die beiden Deutschen würden schon ein anderes Schiff finden.
Vielleicht wäre Mr. Cutler nicht ganz so beklommen zumute gewesen, wenn er von diesen Umständen gewusst hätte. Sie hätten ihm eingeleuchtet, denn auch er sah die Entwicklung in den Kolonien mit
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