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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Hause. Und zwar deshalb.« Belle deutete mit einem Kopfnicken auf das Ende der Hotelfront, das ihrem Laden direkt gegenüberlag. Draußen auf der Veranda lungerten ein paar Männer herum. Alle hatten Flaschen neben sich stehen, und einer hatte sogar die Füße auf den Tisch gelegt. Es war Donovan. Als er Belle und Honor erblickte, prostete er ihnen grinsend mit seiner Flasche zu und nahm einen tiefen Schluck.
    Â»Entzückend.« Belle zog Honor weiter. Als sie am letzten Säulenpaar vorbeikamen, blieb Honors Blick an einem Plakat hängen. Es waren nicht die in fetten Buchstaben ausgelobten 150 Dollar Belohnung, die ihr ins Auge fielen, sondern die Silhouette eines Mannes, der einen Sack über der Schulter trug. Sie blieb stehen und studierte das Plakat genauer.
    Die detaillierte Beschreibung passte erstaunlich genau auf den Mann, den Honor im Schuppen gesehen hatte. Jetzt, wo es Worte für sein Aussehen gab, Adjektive wie »stämmig«, »afrikanisch« und »durchtrieben«, sah sie den Mann wieder vor sich: den berechnenden Blick, mit dem er sie genau musterte, die kräftigen Schultern und das krause Haar mit dem Seitenscheitel.
    Donovan beobachtete sie.
    Â»Weiter«, zischte Belle. Sie nahm Honors Arm und zog sie um die Ecke in die nächste Seitenstraße.
    Â»Hat Donovan das Plakat aufgehängt?«, fragte Honor, als sie außer Hörweite waren.
    Â»Ja. Er ist Sklavenjäger. Aber das haben Sie sich sicher schon gedacht, oder?«
    Honor nickte, obwohl sie nicht einmal gewusst hatte, dass es einen Namen für so eine Tätigkeit gab.
    Â»In Ohio wimmelt es nur so von Sklavenjägern. Sie kommen von Kentucky oder Virginia hoch, weil sie ausgerissene Neger zu ihren Besitzern zurückbringen wollen. Viele entflohene Sklaven wollen nach Kanada, da liegen wir genau auf dem Weg. Durch Ohio kommen sie mehr oder weniger alle durch, entweder in die eine oder andere Richtung. Sie brauchen sich nur drüben an die Kreuzung zu stellen, dann sehen Sie sie vorbeikommen: Siedler, die es auf der Suche nach mehr Land von Osten nach Westen zieht, und die ausgerissenen Sklaven, die in Richtung Norden unterwegs sind, wo sie die Freiheit suchen. Komisch, aber nach Süden oder Osten will keiner. Das Glück scheint im Norden oder im Westen zu liegen.«
    Â»Warum bleiben die Neger nicht einfach in Ohio? Ich dachte, die Sklaverei sei hier abgeschafft?«
    Â»Manche bleiben schon in Ohio – in Oberlin werden Sie ein paar freie Schwarze zu Gesicht bekommen. Aber in Kanada wird ihnen die Freiheit garantiert. Anderes Land, andere Gesetze. Die Sklavenjäger haben dort keine Macht.
    Komisch, aber Donovan interessiert sich für Sie«, fuhr Belle fort. »Normalerweise sind ihm die Quäker nämlich nicht geheuer. Er zitiert gern einen Politiker, der gesagt hat, im Kriegsfall würden die Quäker ihr Land nicht verteidigen, aber dafür in Friedenszeiten ständig die Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken. Leider ist es überhaupt nicht gut, wenn Donovan ein Auge auf jemanden wirft, man wird ihn dann nämlich nicht mehr so schnell los. Also hüten Sie sich vor ihm, er wird Sie auch in Faithwell belästigen. Donovan ist ein halsstarriger Mistkerl. Niemand weiß das besser als ich.« Auf Honors fragenden Blick hin lächelte Belle. »Er ist mein Bruder.«
    Dann lachte sie laut über Honors Gesichtsausdruck. »Wir haben verschiedene Väter, deshalb sehen wir uns nicht besonders ähnlich. Wir sind in Kentucky aufgewachsen, aber unsere Mutter war Engländerin – aus Lincolnshire.«
    Jetzt fügte sich alles ineinander. »Hat sie den Quilt auf meinem Bett gemacht?«
    Â»Ja. Donovan will ihn mir immer abschwatzen, der elende Scheißkerl. Wir haben völlig unterschiedliche Wege eingeschlagen, auch wenn wir beide in den Norden gegangen sind. Jetzt kommen Sie, es wird Zeit, dass wir heimgehen.« Doch Belle blieb noch einmal vor Honor stehen. »Hör zu, Schätzchen. Ich darf doch Du sagen?« Honor nickte. »Ich weiß, dass dir bei mir zu Hause was aufgefallen ist, aber es ist besser, du weißt nichts darüber. Dann musst du auch nicht lügen, wenn Donovan dich ausfragt. Quäker dürfen doch nicht lügen, oder?«
    Honor schüttelte den Kopf.
    Belle nahm Honors Arm und drehte sich um. Sie gingen wieder in Richtung Hutladen. »Herr im Himmel, bin ich froh, keine Quäkerin zu sein. Kein

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