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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Whiskey, keine Farben, keine Federn, keine Lügen. Was hat man denn dann noch vom Leben?«
    Â»Und kein Fluchen«, fügte Honor hinzu.
    Belle lachte laut auf.
    Honor lächelte. »Wir nennen uns selbst ›das eigene Volk‹, denn wir wissen, dass wir so auf andere wirken: eigen.«
    Belle lachte immer noch, wurde aber still, als sie an der Hotelbar vorbeikamen. Donovan war verschwunden.
    Während der nächsten beiden Tage nutzte Honor jede Stunde Tageslicht zum Nähen – am Morgen in der Ladenecke beim Fenster und am Nachmittag auf der hinteren Veranda.
    Die Kundinnen warteten bereits auf die Hauben, die Belle ihr zum Fertigmachen gegeben hatte. Honor fasste eine Haube mit Spitze ein und schmückte eine andere mit einer doppelten Rüschenborte. In die innere Krempe einer steifen grünen Haube applizierte sie einen Kranz aus Stoffstiefmütterchen, dann nähte sie breite hellgrüne Bänder an, mit denen man die Haube unterm Kinn zusammenbinden konnte. »Kannst du noch mehr Stoffblumen herstellen, wenn ich dir die vorgefertigten Blütenblätter gebe?«, fragte Belle, als Honor mit den Hauben fertig war.
    Honor nickte. Sie hatte zwar noch nie Stoffblumen genäht, da Quäkerinnen keine an der Kleidung trugen, doch schwieriger als ein kompliziertes Patchwork konnten sie auch nicht sein.
    Belle reichte ihr eine Schachtel voller Stoffblüten und -blätter. »Die habe ich gestern Abend ausgeschnitten, nachdem du ins Bett gegangen bist. Nur ich, mein Whiskey und die Schere – so habe ich es am liebsten.« Sie zeigte Honor, wie man Stiefmütterchen, Veilchen, Rosen und Kleeblätter aus Stoff herstellte und Spitze so zusammenraffte, dass sie wie Schleierkraut aussah. Honor wünschte sich, Grace wäre bei ihr, um die farbenprächtigen, kunstvollen Kreationen zu bewundern.
    Auch an diesem Tag wurde über das neue Gesicht im Laden getuschelt. Selbst die Kundinnen, die Honor schon am Vortag gesehen hatten, beteiligten sich wieder an dem Klatsch. »Na, so was! Schaut euch mal das Quäkermädchen an, es hat den Schoß voller Blumen!«, riefen sie. »Ist das nicht lustig? Du wirst sie noch umdrehen, Belle!«
    Allerdings war Honor nur eine flüchtige Ablenkung, über die nachzudenken sie sich für später aufsparten. Die Frauen ließen ein paar Bemerkungen fallen und wandten sich dann wichtigeren Dingen zu. Sie begutachteten die neue Ware und versuchten den Preis zu drücken, indem sie die Hauben und Hüte aufprobierten und an Belles Kreationen herummäkelten: Egal ob am Schnitt oder am Schmuckbesatz, sie hatten an allem etwas auszusetzen. Belle wiederum war wild entschlossen, nicht einen Penny im Preis nachzugeben, sodass sich im Laden hitzige Wortgefechte entspannen.
    Honor ging das Feilschen auf die Nerven. Anscheinend waren die Frauen aus Wellington der Ansicht, dass der Preis einer Ware sich danach richtete, wie dringend jemand etwas kaufen oder verkaufen wollte. Belles Hüte hatten keinen festen Preis, was ihren Wert scheinbar beliebig machte. Quäker hingegen feilschten nie, sondern vereinbarten einen fairen Preis für ihre Produkte und Dienstleistungen. Ihrer Meinung nach hatte alles auf Erden seinen eigenen Wert, sei es nun eine Karotte, ein Hufeisen oder ein Quilt, und dieser Wert änderte sich nicht einfach, weil gerade viele Leute Karotten oder Hufeisen brauchten. Honor wusste, dass es auch in Bridport Kaufleute gab, bei denen gefeilscht wurde, hatte es aber persönlich nie erlebt, wenn sie in einem Laden oder an einem Marktstand ihre Einkäufe machte. Wurde überhaupt jemals in ihrer Gegenwart gefeilscht, geschah das ganz beiläufig, ja fast verlegen, als sei es nur eine Art Scherz im Umgang miteinander, den man von Käufern und Verkäufern gleichermaßen erwartete. In Amerika schien das Feilschen viel ernster gemeint zu sein. Beide Seiten gaben einander nicht nur das Gefühl, im Unrecht zu sein, sondern versuchten sogar, die Gegenpartei als moralisch fragwürdig dastehen zu lassen. Ein paar Frauen in Belles Laden regten sich so sehr auf, dass Honor sich fragte, ob sie jemals wiederkommen würden.
    Belle jedoch schien das Feilschen Spaß zu machen. Selbst wenn sie sich, was recht oft vorkam, nicht mit den Kundinnen einigen konnte und keinen Hut verkaufte, blieb sie gelassen. »Die kommen schon wieder«, sagte sie. »Wo sollen sie denn sonst hin? Ich bin die einzige Putzmacherin in

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