Die englische Freundin
Gegend rennt.«
Donovan hatte das Gesetz Jack gegenüber erwähnt, aber in ihrer Fieberumnebelung hatte Honor nicht weiter auf seine Worte geachtet. Am liebsten hätte sie jetzt Mrs Reed ausgefragt: Was es mit dem Gesetz auf sich habe, warum es mehr entlaufene Sklaven geben würde und wer zum Kreis der Helfer gehöre. Doch Mrs Reed mochte es nicht, wenn man sie mit Fragen bedrängte. »Was kann ich sonst noch tun?«, erwiderte Honor deshalb nur.
Mrs Reed blickte Honor von der Seite an und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Besorgen Sie sich eine Kiste und legen Sie sie verkehrt herum hinter Ihr Hühnerhaus. Auf die Kiste legen Sie einen Stein, damit keine Tiere an das Essen kommen, das Sie unter ihr verstecken. Sie können alles nehmen, was Sie haben. Brot und Dörrfleisch sind am besten, aber auch Ãpfel, wenn sie jetzt reif werden. Macht ihr bei euch auf dem Hof Pfirsichleder?«
Honor nickte und dachte an das heiÃe Pfirsichpüree, an dem sie sich beim Rühren die Arme verbrüht hatte. Das Püree wurde auf ein Blech gestrichen, getrocknet und später in Streifen geschnitten, die wie Lederstreifen aussahen. Im Mund wurde das Pfirsichleder dann wieder weich und wunderbar süÃ.
»Solche Sachen. Lebensmittel, die sich für unterwegs eignen. Selbst getrockneter Mais ist besser als nichts. Ich werde die Leute, die entlaufene Sklaven in Ihre Richtung schicken, informieren. Dann wissen die Flüchtlinge, wonach sie suchen müssen. Doch sprechen Sie mich nie darauf an.«
Sie wurden ohnehin schon neugierig angeschaut â nicht feindselig, wie es in anderen Städten sicher der Fall gewesen wäre, aber befremdet. Auch in Oberlin schien es ungewöhnlich zu sein, dass eine WeiÃe und eine Schwarze in der Ãffentlichkeit miteinander redeten. Mittlerweile waren sie an die First Church gekommen, eine groÃe Backsteinkirche an der nordöstlichen Ecke des Platzes. Mrs Reed schüttelte den Kopf, als wolle sie sagen: »Jetzt bin ich fertig mit Ihnen«, und eilte die Kirchenstufen hoch. Honor blieb zurück, denn Quäker betraten keine Kirchen mit Turm. Vermutlich wusste Mrs Reed das.
»Wie hat Ihrer Tochter das Hochzeitskleid gefallen?«, rief Honor ihr nach, als sie bereits in der Kirchentür stand.
Ein breites Lächeln erstrahlte auf Mrs Reeds strengem Gesicht. »Sie sah gut aus, oh ja, und wie! Das Kleid war ein voller Erfolg.«
Beim nächsten entflohenen Sklaven war Honor besser vorbereitet. Als sie eines Abends mit den Haymakers auf der Eingangsveranda saÃ, um das letzte Tageslicht zu genieÃen, ritt Donovan vorbei. Jack lieà die Zeitung sinken, die er gerade las, Dorcas hörte auf, den Riss in einem Rock zu flicken, und Honor, die an einer roten Applikation für den neuen Quilt arbeitete, erstarrte mitten in der Bewegung. Nur Judith Haymaker schaukelte ungerührt weiter in ihrem Schaukelstuhl. Donovan zog den Hut und grinste Honor frech an, kam aber nicht zu ihnen, sondern verschwand im Wielandwald.
»Es muss ein entlaufener Sklave in der Nähe sein«, sagte Jack, »sonst hätte Donovan keinen Grund, sich hier herumzutreiben.« Er blickte Honor ein wenig verunsichert an.
»Im Kaufladen haben sie erzählt, dass eine Familie aus Greenwich, die früher entlaufenen Sklaven geholfen hat, das wegen des neuen Gesetzes nicht mehr tut«, bemerkte Dorcas. »Deshalb funktioniert der alte Fluchtweg wahrscheinlich nicht mehr, und viele kommen lieber hier vorbei, als durch Norwalk zu laufen.«
»Die Familie aus Greenwich ist vernünftig«, erklärte Judith Haymaker, »auch wenn sicher eine andere für sie einspringen wird.«
»Worum ⦠worum geht es in dem Gesetz?«, fragte Honor.
»Es besagt, dass ein Mann wie der da«, Judith machte eine ruckartige Kopfbewegung in Richtung des im Wald verschwindenden Donovan, »von uns verlangen kann, dass wir ihm bei der Jagd nach AusreiÃern helfen. Anderenfalls müssten wir tausend Dollar Strafe zahlen oder kämen ins Gefängnis. Wir würden den Hof verlieren.«
»Der Kongress ist kurz davor, das Gesetz zu verabschieden«, fügte Jack hinzu. »Caleb Wilson hat mit uns darüber diskutiert. Es war nach einer Andacht in der Zeit, als du krank warst, Honor, deshalb hast du nichts davon gehört. Es wurde beschlossen, dass jeder von uns seinem Gewissen folgen soll, wenn wir vor der Frage stehen, ob wir
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