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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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über meinen Worten ein. Wir haben so viel Arbeit mit der Ernte, dass ich abends nur noch essen und mich waschen kann, bevor ich todmüde ins Bett falle. Und morgens stehe ich dann wieder in aller Frühe auf, um zu melken. Ja, da staunst Du: Ich weiß, wie man eine Kuh melkt! Judith hat darauf bestanden, dass ich es lerne. Eine echte Haymaker muss offensichtlich melken können.
    Ich gebe zu, dass ich anfangs fürchterliche Angst vor den Kühen hatte. Sie sind so groß, so schwer und knochig, außerdem machen sie meist nur, was sie wollen, und nicht, was ich will. Wenn sie doch nur einmal stillhalten würden! Aber nein, sie treten nach mir oder versuchen mich gegen die Wand zu drücken. Weil ich Angst hatte, sie könnten mir auf die Füße steigen und sie brechen, bin ich ihnen immer aus dem Weg gesprungen. Judith hat mir dann die besonders friedfertigen Kühe zugewiesen, doch selbst mit ihnen hatte ich Mühe. Meine Hände sind klein und meine Arme noch nicht stark genug. (Die Unterarme von Judith und Dorcas sind dick wie Zaunpfosten!) Anfangs habe ich doppelt so lange für eine Kuh gebraucht wie die anderen. Ich glaube, ich habe die Haymakers an den Rand der Verzweiflung getrieben, vor allem, weil ich so viel Milch verschüttet habe. Die Kühe haben ständig meinen Eimer umgekippt.
    Es ist ein komisches Gefühl, den Euter einer Kuh anzufassen. Ich musste mich erst dazu überwinden und dachte, es würde den Kühen bestimmt nicht gefallen. Doch Dorcas hat mir erklärt, dass ich mir in die Hände spucken muss, damit sie nicht am Euter reiben, und da schienen die Kühe nichts mehr dagegen zu haben. Mit der Zeit bin ich sicherer im Umgang mit ihnen geworden, und in der letzten Woche habe ich keinen einzigen Eimer vergossen. Vielleicht sind meine Arme schon kräftiger geworden, denn ich brauche jetzt nur noch fünfzehn Minuten für eine Kuh. Die anderen melken allerdings noch schneller und brauchen nur zehn Minuten. Doch ich lerne beharrlich weiter. Allmählich macht mir das Melken sogar Spaß. Es hat etwas Beruhigendes, sich gegen eine Kuhflanke zu lehnen und der Kuh Milch zu entlocken. Manchmal spüre ich fast eine ähnliche Versunkenheit wie in der Andacht.
    Außerdem bin ich froh, dass ich mich nützlich machen kann. Der Hof kann nur mit meiner Hilfe größer werden. Die Haymakers versuchen, die Herde jedes Jahr um eine Kuh zu erweitern, aber dazu müssen sie auch entsprechend mehr Heu als Winterfutter ernten. Jack ist sehr glücklich, dass wir diesen Sommer drei gute Ernten eingefahren haben, weil wir so das Kälbchen behalten können, das letzten Monat geboren wurde.
    Bestimmt schmunzelst Du über meine Erzählungen von Kühen, Heu und Ernten. Auch ich hätte mir niemals vorstellen können, so ein Leben zu führen. Du würdest staunen, wenn Du unsere Vorratskammer sehen könntest, in der sich die Regale unter den vielen Gläsern mit eingemachtem Gartengemüse biegen: Bohnen, Erbsen, Gurken, Tomaten und Kürbis. Im Keller lagern Kartoffeln, Rüben, Karotten, Rote Beete, Äpfel und Birnen. Kirschen und Pflaumen werden zu Sirup eingekocht oder getrocknet. Im Moment verarbeiten wir gerade die Äpfel zu Apfelmus, Apfelkraut und zu getrockneten Apfelringen.
    Natürlich haben wir auch zu Hause in England Gemüse angebaut, aber nicht so viel wie hier. Ich glaube, wir ernten fünfmal so viel wie Mutter. Aber es macht natürlich auch viel Arbeit, und in der Einmachzeit habe ich ständig nach Essig und Pökelsalz gestunken. Meine Hände und Arme sind von Brandflecken übersät; sie kommen vom heißen Sirup oder dem Wachs, mit dem wir die Gläser versiegeln. Manchmal muss ich daran denken, wie leicht ich es in Bridport hatte, wo ich einfach in den Laden gehen und kaufen konnte, was ich brauchte. Aber dazu fehlt uns hier das Geld. Außerdem sind die Haymakers – wie alle Menschen in Faithwell – sehr stolz darauf, völlig unabhängig zu sein. Es ist tatsächlich befriedigend, sich selbst versorgen zu können, und ein Blick in den überquellenden Vorratsraum entschädigt mich für viele Mühen. Im Heuschober liegt das Heu bis unter die Decke, und im Maisspeicher sieht es nicht anders aus. Die Schweine setzen schnell Fett an, wir werden sie in ein oder zwei Monaten schlachten. Außerdem machen wir Hühner ein (ja, Du hast richtig gelesen, sie stecken sie in

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